Ukraine: Russisches Vermögen als Wiederaufbauhilfe?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will eingefrorenes russisches Vermögen wie bereits 2022 angedacht für den Wiederaufbau der Ukraine verwenden. Noch vor der Sommerpause solle ein Plan vorgelegt werden, wie Russland so finanziell zur Verantwortung gezogen werden könne, sagte sie am Mittwoch. Kommentatoren fragen sich, ob das sinnvoll und gerecht sein könnte.

Alle Zitate öffnen/schließen
The Daily Telegraph (GB) /

Moskau zahlen lassen

Die Geber, die sich bei der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine diese Woche großzügig zeigten, sollten die Kosten nicht allein schultern müssen, findet The Daily Telegraph:

„Die Weltbank schätzt die Kosten des Wiederaufbaus auf umgerechnet 350 Milliarden Euro, eine Zahl, die – solange russische Raketen die Infrastruktur der Ukraine weiter zerstören – sicherlich täglich weiter steigen wird. ... Der russische Staat wird sich nicht zur Zahlung bewegen lassen. Warum sollten dann nicht die eingefrorenen Bankkonten, beschlagnahmten Yachten, Häuser und Kunstsammlungen einen Beitrag leisten? Es gibt zweifellos rechtliche Hürden, die adressiert und überwunden werden müssen. Aber wenn ein Land die Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine tragen muss, dann sollte das Russland sein.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Regeln auch in diesem Fall nicht aushebeln

Das Ziel, Russland für seine Verbrechen in der Ukraine mit seinem eingefrorenen Vermögen bezahlen zu lassen, ist moralisch verständlich, aber falsch, meint die Süddeutsche Zeitung:

„Es geht bei dem Krieg in der Ukraine auch darum, das zu verteidigen, was man die 'regelbasierte internationale Ordnung' nennt: das Prinzip zum Beispiel, dass man nicht mit Gewalt Grenzen verschiebt; das Prinzip, dass man Streitigkeiten friedlich regelt; oder eben das Prinzip der Staatenimmunität. Im gegebenen Fall mag diese Regel einigen EU-Ländern zwar nicht gefallen. Aber wohin führt es, wenn man sie aushebelt? ... Die regelbasierte Ordnung verteidigt man nicht dadurch, dass man die Regeln bricht.“

Wladislaw Inosemzew (RU) /

Auf Energiekäufe mit Nachlass setzen

Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew schlägt auf Facebook vor, Reparationen für die Ukraine durch eine Rohstoff-Kooperation zwischen Russland und dem Westen zu erwirtschaften:

„Moskau verkauft heute Öl mit einem Preisnachlass von 20 bis 25 Dollar [18 bis 23 Euro] pro Barrel an Indien, wobei erhebliche logistische Kosten anfallen. Würden die Europäer ihre Käufe mit dem halben Preisnachlass wieder aufnehmen und die Preisdifferenz für den Wiederaufbau der Ukraine verwenden, würde ein jährlicher Betrag von 25 bis 40 Milliarden mobilisiert. Durch die Wiederaufnahme der Gaskäufe könnten weitere 15 bis 20 Milliarden aufgebracht werden. Jedenfalls kann man von Russland nur Geld im Austausch gegen Zusammenarbeit bekommen - und das muss der Westen früher oder später akzeptieren.“