Neukaledonien: Gewaltausbruch wegen Wahlreform
Im französischen Überseegebiet Neukaledonien sind Proteste eskaliert: Es gab Tote, Brände und Plünderungen. Auslöser ist eine geplante Verfassungsänderung, mit der Paris tausenden zugezogenen französischstämmigen Bewohnern, die seit mindestens zehn Jahren auf der Inselgruppe leben, das Wahlrecht bei Regionalwahlen zugestehen will. Die kanakische Urbevölkerung sieht dadurch ihren politischen Einfluss in Gefahr.
Mehr Geduld wäre klug gewesen
Für die Süddeutsche Zeitung trägt die französische Zentralregierung eine Mitschuld an der Lage:
„[Es gibt] da alte Wunden aus der Kolonialzeit, die nie ganz verheilt sind. Die Ureinwohner sehen sich bis heute benachteiligt. ... Die Wahlreform, sagen sie, komme aber einer Neukolonialisierung gleich, weil damit viele Zugezogene ein Wahlrecht erhielten, die eher für den Status quo seien, also für den Verbleib in Frankreich. Präsident Emmanuel Macron setzte die Frage prominent auf seine Agenda, er forcierte die parlamentarische Prozedur und weckte damit alte Geister. Mehr Geduld und mehr Gespräche wären klug gewesen, gerade in einer historisch so beladenen Geschichte wie dieser.“
Früher fanden sich immer innovative Lösungen
Regierungschef Gabriel Attal sollte sich am Beispiel seiner Amtsvorgänger orientieren, drängen die beiden früheren sozialistischen Abgeordneten René Dosière und Jean-Jacques Urvoas in Libération:
„Angesichts der sich ihnen stellenden Herausforderungen waren Michel Rocard, Lionel Jospin und Edouard Philippe in der Lage, Antworten zu liefern, die mögliche Dramen abwenden konnten. Es ist ihnen gelungen, innovative Lösungen zu finden, die der Realität Rechnung trugen, ohne sich dieser jedoch völlig zu unterwerfen. Durch ihre Vorschläge und ihre Fähigkeit, andere mitzureißen, haben sie bewiesen, dass die Etappen erst dann erreicht werden, wenn der Staat voll und ganz Akteur ist. Wir befinden uns in einer identischen Lage und diese Geschichte verpflichtet.“
Frankreichs Weltgeltung steht auf dem Spiel
Le Figaro verteidigt die Regierungspläne:
„Ohne [Frankreich] wäre der Lebensstandard der Inselbevölkerung der eines von den Schwankungen des Nickelkurses abhängigen armen Landes geblieben. ... Es ist logisch, dass die inakzeptable Diskriminierung aufhören muss, die [nicht-kanakischen] Einheimischen und vor mehr als zehn Jahren angekommenen Einwohnern das Wahlrecht bei den Provinzialwahlen verweigert. ... Nichts rechtfertigt diesen Gewaltausbruch. Im Herzen des indo-pazifischen Raums, zwischen dem chinesischen Oger und Uncle Sam, steht auch der französische Einfluss in der Welt auf dem Spiel.“