Großbritannien: Mediales Dauerfeuer auf die EU

Dass die EU in Großbritannien einen vergleichsweise schlechten Ruf hat, liegt auch daran, dass ein großer Teil der Presse des Landes seit Jahren einen medialen Feldzug gegen Brüssel führt. Die heftigen Debatten rund um den Brexit lieferten dabei einen neuen Höhepunkt.

Britische Titelseiten am "Brexit-Day", dem 31. Januar 2020. Die meisten Medien stehen hinter dem EU-Austritt.
Britische Titelseiten am "Brexit-Day", dem 31. Januar 2020. Die meisten Medien stehen hinter dem EU-Austritt.
Geradezu EU-feindlich war und ist der traditionell rechtskonservative, auflagenstarke britische Boulevard - allen voran The Sun, gefolgt von Daily Mail und Daily Express.

Der Brexit veränderte auch das Verhältnis zwischen Medien und Politik. Vor der Unterhauswahl im Dezember 2019 boykottierten der EU-kritische konservative Premier Boris Johnson und sein Team TV- und Radiostationen, deren Berichterstattung sie nicht goutierten. Nach dem Wahlsieg der Tories wurde der Druck weiter erhöht: Zu Pressekonferenzen der Regierung wurden zunächst nur ausgesuchte Journalisten vorgelassen.

Die BBC im Visier der Tories

Besonders unter Druck geriet der dominierende Sender des Landes, die öffentlich-rechtliche BBC. Anfang 2020 erwog die konservative Regierung, jene Bürger zu entkriminalisieren, die die verpflichtende TV-Gebühr nicht bezahlen. Kritiker warfen den Tories vor, die BBC zu schwächen und mundtot machen zu wollen.

Schwierige Zeiten machen die meisten Printmedien durch. Sie leiden unter sinkenden Leserzahlen und einbrechenden Werbeeinnahmen. Der linksliberale Independent erscheint seit März 2016 nur noch online. Immer mehr Medienhäuser setzen bei ihren Onlineauftritten auf Paywalls.

Für Aufregung sorgen immer wieder die Praktiken des britischen Boulevards. Im Jahr 2010 wurde bekannt, dass Journalisten des Blatts News of the World jahrelang die Telefone von Prominenten, Politikern und Verbrechensopfern gehackt hatten. Der Abhörskandal machte die enge Vernetzung von Politik und Medien deutlich, der damalige Premier David Cameron setzte in der Folge eine Kommission ein. Sie ging mit der Rücksichtslosigkeit vieler Blattmacher und Reporter scharf ins Gericht und empfahl ein Pressegesetz, um deren Praktiken einzuschränken. Beschlossen wurde dieses aber nie, weil viele eine Einschränkung der Pressefreiheit befürchteten.


Snowden-Affäre als Zündstoff

Im Jahr 2013 sorgte die Affäre um den NSA-Whistleblower Edward Snowden für Aufregung in der britischen Medienlandschaft. Der linksliberale Guardian hatte die Überwachungspraktiken westlicher Geheimdienste mitaufgedeckt. Im Ausland wurde der Guardian dafür gefeiert. In Großbritannien warfen ihm die Regierung und die meisten Medien vor, Terroristen zu unterstützen. Im November 2016 beschloss das britische Unterhaus das umstrittene Gesetz "Investigatory Powers Bill", das unter anderem die Überwachung von Journalisten ohne deren Wissen ermöglichte. Das ist ein Grund, warum die Organisation Reporter ohne Grenzen Großbritannien als "eines der am schlechtesten bewerteten Länder auf der Rangliste der Pressefreiheit Westeuropas" führt

Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 35 (2020)

Stand: April 2020
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