Slowakei: Auf den Journalisten-Mord folgte das politische Erdbeben

Der Doppelmord an dem Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová im Februar 2018 stellt einen in der Slowakei nie dagewesenen Angriff auf die Pressefreiheit dar. Er schockierte das Land und führte zu den größten Massenprotesten seit 1989, die Premier Robert Fico aus dem Amt fegten.

Proteste im März 2018 gegen Premier Robert Fico, ausgelöst durch die Ermordung von Enthüllungsjournalist Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová.
Proteste im März 2018 gegen Premier Robert Fico, ausgelöst durch die Ermordung von Enthüllungsjournalist Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová.
Fico übergab seinen Posten an Peter Pellegrini, einen Gefolgsmann aus der linksnationalen Regierungspartei Smer. Doch das Ende der Ära Fico wurde immer deutlicher sichtbar. Der von Smer unterstützte Kandidat verlor 2019 die Stichwahl um das Präsidentenamt. Höchste Repräsentantin des Landes ist jetzt die überaus beliebte frühere Anwältin Zuzana Čaputová, die als Quereinsteigerin in die Politik ging und liberal-konservative Ansichten vertritt.

Das Ende der Herrschaft von Smer wurde Ende Februar 2020 bei der Parlamentswahl besiegelt. In der Corona-Krise musste Pellegrini als Chef der Regierung seinen Hut nehmen. Für ihn steht jetzt Igor Matovič an der Spitze einer aus vier liberal-konservativen Parteien bestehenden Regierung. Binnen zweier Jahre hat die Slowakei die Chance für einen demokratischen Neuanfang bekommen - und ergriffen.

Guter Journalismus stärkt Vertrauen der Leser

Diese Entwicklung haben die Journalisten des Landes nicht nur einfach verfolgt. Zum einen führten sie die investigativen Recherchen Kuciaks weiter. Zum anderen trugen sie mit eigener Aufklärungsarbeit, etwa der Veröffentlichung von Abhörprotokollen, dazu bei, dass der Mörder und seine Hintermänner, wie der Oligarch Kočner, vor einem Sondergericht stehen. Und sie deckten Verbindungen der Unterwelt bis in höchste Kreise von Politik und Justiz auf. Das alles hat das Vertrauensverhältnis weiter gestärkt, das viele Slowaken zu ihren Medien, namentlich den Zeitungen hatten.

Hatten Blätter wie Sme und Denník N schon immer eine Art Oppositionsrolle gegenüber Fico gespielt, so trugen sie nach dem Journalistenmord dazu bei, die devastierten demokratischen Strukturen zu erneuern und zu stärken. Auf herausragende Weise wirkte das Internetportal aktuality.sk, für das Kuciak gearbeitet hatte. Das Portal genießt bei den Slowaken allerhöchstes Ansehen. Das wirkt sich auch in der derzeitigen Corona-Krise aus, wo es täglich Rekordklickzahlen um eine Million erreicht.

So stolz die Redaktion darauf ist, so sehr bangt sie wie alle Zeitungen um die wirtschaftliche Stabilität. Chefredakteur Petr Bárdy schrieb im April 2020 von einem dramatischen Rückgang der Werbeeinnahmen. Aktuality.sk sähe sich deshalb gezwungen, die Nutzer um Spenden zu bitten, die bestenfalls in Bezahl-Abos münden sollten.

Welche Entwicklung die elektronischen Medien nehmen werden, die bis zuletzt meist treue Sprachrohre der Fico-Truppe waren, muss abgewartet werden. Hier waren zahlreiche ehrliche, unabhängige Journalisten aus den Redaktionen verbannt worden. Ob sie unter den neuen politischen Bedingungen wieder dort werden arbeiten können, ist derzeit noch offen. Dass Entwicklungen in der Slowakei aber sehr schnell gehen können, haben die vergangenen zwei Jahre gelehrt.

Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 33 (2020)

Stand: April 2020
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