Spekulationen um neue AKP-Konkurrenz
Einstige Weggefährten Erdoğans wollen türkischen Medienberichten zufolge nach den Kommunalwahlen am 31. März zwei neue Mitte-rechts Parteien gründen. Ex-Premier Ahmet Davutoğlu plane dies, aber auch Ex-Präsident Abdullah Gül gemeinsam mit Ex-Wirtschaftsminister Babacan. Am Tag zuvor war noch von einer gemeinsamen Partei der drei Männer die Rede. Bedeuten diese Pläne eine Gefahr für die Regierungspartei AKP?
Neue Parteien werden nichts verändern
Wenig begeistert über die mögliche Gründung neuer Parteien zeigt sich das liberale Internetportal T24:
„Denn politische Parteien, die gegründet werden ohne eine soziale Basis, ohne einer gesellschaftlichen Forderung nachzukommen, bleiben nicht mehr als ein Ideenclub. ... Davutoğlu verfolgt eine härtere islamistische Linie als Erdoğan. Die politische Linie von Abdullah Gül und Ali Babacan wird wohl auf einem islamistischen Fundament basieren und möglicherweise demokratischer als die von Erdoğan sein. Gibt es derzeit in der Türkei ein gesellschaftliches Bedürfnis dafür? Glauben Sie nicht, dass diejenigen, die sich in der Türkei als nationalistisch-konservativ begreifen und sich auf den Islam beziehen, für eine 'demokratischere Türkei' glühen. Erdoğan und seine Partei AKP vertreten jeden, den auch Davutoğlu-Gül-Babacan vertreten wollen.“
Davutoğlu soll Erdoğan stärken
Dass Ex-Premier Davutoğlu wirklich in Konkurrenz zu Präsident Erdoğan treten will, glaubt Journalist Murat Yetkin auf seinem Blog Yetkin Report nicht:
„Davutoğlu, anders als Gül, nahm, selbst nachdem er [2016 durch Erdoğan von seinem Posten als Premier] gestürzt wurde, bei jeder Gelegenheit einen Platz neben Erdoğan ein, und Erdoğan erlaubte, dass er sehr oft mit ihm im gleichen Bild war. ... Diejenigen, die ihr politisches Gedächtnis ein wenig frisch halten, fragen nicht unberechtigt, ob Davutoğlu nun wieder ins Spiel gebracht wird, um Gül den Weg abzuschneiden. ... Ist es wieder Erdoğan, der mit dem Auftreten Davutoğlus zu gewinnen beabsichtigt? ... Schon wieder Davutoğlu? Das sind die Fragen. Das Bild ist klar. Es bleibt an Ihnen, die Punkte miteinander zu verbinden.“
Verrat an den eigenen Idealen
Die regierungsnahe Tageszeitung Star spuckt Gift und Galle:
„Aus einer Partei auszutreten, ist kein Verrat. Auch nicht, auszutreten und eine andere Partei zu gründen. Doch wenn Sie austreten, weil Ihnen Ihr Amt weggenommen wurde oder Ihnen kein neues Amt übergeben wurde und Sie vollmundig Ihre Wut über Ihre Führer ausspucken und daran arbeiten, dass Ihre alte Partei verliert, dann sind Sie Verräter. ... Das ist vor allem ein Verrat an Ihren eigenen Idealen. ... Wenn Sie tatsächlich so aufrichtig, prinzipientreu und ehrlich sind, wie Sie behaupten, warum haben Sie sich dann nicht gegen Erdoğan gestellt, als er Ihnen das höchste Amt verlieh? Sie sind wirklich zum Kotzen! Lassen Sie uns endlich in Frieden!“
Erdoğan will neue Partei zur Frühgeburt zwingen
Obwohl noch nichts offiziell ist, machen diese Gerüchte Erdoğan nervös, beobachtet Cumhuriyet:
„Dienstagabend erklärte Erdoğan mit den Worten 'es ist unmöglich, mit diesen Abtrünnigen gemeinsam weiterzugehen', dass es in der AKP keinen Platz mehr für die Anhänger Güls und Davutoğlus gibt. Es war diskutiert worden, ob diese innerhalb der AKP für ein Gleichgewicht sorgen sollen oder einen eigenen Weg gehen. Erdoğan hat mit seiner Rede die erste Möglichkeit zunichte gemacht. ... Es scheint, dass Erdoğan Davutoğlus Partei zu einer Frühgeburt zwingen will. ... Zur Kommunalwahl am 31. März kann die neue Partei nicht antreten, in den nächsten vier Jahren steht keine Wahl auf der Tagesordnung, was also zeichnet sich am Horizont ab?“