Kryptowährung Libra: eine gute Idee?
Der US-Konzern Facebook will ab 2020 mit einer digitalen Währung ein eigenes Zahlungsmittel etablieren. Libra basiert ähnlich wie der Bitcoin auf der Blockchain-Technologie, soll aber ohne Kursschwankungen auskommen. Kommentatoren diskutieren die Auswirkungen auf die Finanzwelt.
Facebook wird diesen Machtkampf nicht gewinnen
Dass Facebook der Herausgabe einer eigenen Währung gewachsen ist, bezweifeln die Wirtschaftsprofessoren Augustin Landier und David Thesmar in Les Echos:
„Silicon Valley macht sich also bereit, seine eigene Währung zu erschaffen, ein Privileg, das bisher dem Souverän vorbehalten war. Für viele bedeutet diese Ansage von Facebook eine grenzenlose Ausdehnung des digitalen Totalitarismus. ... Indem das Unternehmen die Staaten herausfordert, und zwar just in dem Moment, wo über seine Zerschlagung diskutiert wird, riskiert es einen Machtkampf, den es wahrscheinlich nicht gewinnen wird. Große chinesische Unternehmen und einige amerikanische Finanztechnologiekonzerne haben sich bereits im Bereich der Zahlungssysteme etabliert. Mark Zuckerberg braucht also eine napoleonische Paukenschlag-Aktion. Doch die Libra könnte sein Russland-Feldzug werden.“
Libra statt Feuerstein und Keule
Verwunderlich ist, dass Facebook erst jetzt auf die Libra gekommen ist, meint Salvatore Rossi, früherer Chef der italienischen Notenbank, in Corriere della Sera:
„Was auch immer wir bezahlen müssen - eine Kokosnuss, einen Computer, einen Haarschnitt - wir benutzen überall auf der Welt archaische Mittel. Papierstücke wie Banknoten oder Schecks, bestenfalls Kreditkarten oder den Bankomaten. Im Jahr 2019? In Zeiten der sofortigen und kostenlosen Übertragung von Texten, Fotos, Videos? Unglaublich. Seit mindestens zwanzig Jahren bietet die Technologie wesentlich effizientere Methoden. ... Aber wir bleiben Feuerstein und Keule treu. So ist es eigentlich eher überraschend, dass erst jetzt Vorschläge wie der von Facebook auftauchen.“
Euer Geld in guten Händen?
Facebook wirbt nun stark um das Vertrauen seiner Nutzer, beobachtet Gazeta.pl:
„Facebook erklärt, dass Zahlungen mit der neuen Kryptowährung sehr sicher sein werden. Die Transaktionen werden verifiziert, um Betrug zu verhindern. Dies ist nach den vergangenen Skandalen im Zusammenhang mit der Privatsphäre besonders wichtig. Facebook muss sicherstellen, dass die Nutzer keine Angst haben, dem Konzern nicht nur zusätzliche Informationen über sich selbst, sondern auch ihr Geld anzuvertrauen. ... Wenn sich herausstellt, dass Libra einfach zu bedienen und sicher ist, kann es viele Fans finden. Vor allem deshalb, weil Facebook heute von Milliarden Menschen genutzt wird, die die Kryptowährung dann alle zur Hand haben.“
Zugang zu noch mehr heiklen Daten
Dass es den Nutzern nach einer Reihe von Skandalen in den vergangenen Jahren allerdings schwer fallen könnte, Facebook und seiner Währung das Vertrauen zu schenken, bemerkt Financial Times:
„Das System würde Facebook Zugang zu einem beinahe einzigartigen Fundus an Finanzinformationen bieten. Obwohl der Konzern beteuert, im Umgang mit Daten nun gewissenhafter vorzugehen, gab es für Führungskräfte nur unbedeutende Konsequenzen. Das Tochterunternehmen Calibra hat zwar zugesichert, dass persönliche Kundeninformationen nicht für gezielte Werbezwecke genutzt würden. Facebooks Vorgehen in der Vergangenheit in dieser Frage lässt aber Zweifel aufkommen. ... Es fällt schwer, Libra uneingeschränkt das Vertrauen zu schenken. Es handelt sich um das Projekt eines Unternehmens, das sich bisher in nur sehr geringem Maße um seine Kunden gekümmert hat.“
Banken müssen Facebook ernst nehmen
Banken sollten die Pläne des US-Konzerns keinesfalls ignorieren, warnt De Tijd:
„Facebook hat bereits Kooperationsabkommen mit Unternehmen wie Uber und Spotify geschlossen, die Libra-Zahlungen vielleicht schnell akzeptieren werden. Und die Initiative wird unterstützt von den Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard. ... Die Basis für eine erfolgreiche Lancierung ist da. ... Facebook wird allerdings noch zahlreiche Hürden überwinden müssen. Und Bankgeschäfte sind viel mehr als nur das Angebot von Bezahldiensten. Aber es wäre ein Irrtum der etablierten Akteure der Finanzwelt, diese Offensive von Facebook nicht ernst zu nehmen. Denn wenn der Internetgigant einmal den Fuß in der Tür hat, kann er sie sehr einfach aufdrücken.“
Zerschlagung ist denkbar
Facebooks wachsender Macht könnte bald ein Ende gesetzt werden, glaubt Libération:
„Es kommt der Moment, an dem wirtschaftliche Macht aufgrund ihrer reinen Existenz gefährlich wird. ... Indem Facebook die Handlungen von Milliarden von Menschen reguliert und überwacht, erhält es eine Macht, die schließlich mit der von Staaten konkurriert. Ludwig XIV. hat einen Scheinprozess gegen [seinen wohlhabenden Finanzminister] Fouquet geführt, um ihn ins Gefängnis zu stecken und dem Staat im Staat ein Ende zu setzen. So weit werden die heutigen Regierenden nicht gehen. Doch je mehr Macht der neue Fouquet erlangt, desto stärker werden sie geneigt sein, die Auflösung seines Reichs zu verkünden und zu verlangen, dass dieses in separate Firmen aufgeteilt wird - so wie sie es mit den Räuberbaronen [als skrupellos eingestufte reiche Geschäftsmänner in den USA] zu Beginn des 20. Jahrhunderts machten.“