Erdgasstreit: Athen und Ankara reden wieder
Griechenland und die Türkei wollen am 25. Januar Gespräche aufnehmen. Die Erwartungen sind höchst unterschiedlich: Athen möchte einzig über die "Ausschließliche Wirtschaftszone" und die dortigen Gasvorkommen sprechen, Ankara auch die Seegrenzen rund um griechische Inseln nahe der türkischen Küste verhandeln. Warnungen vor einem Einknicken der jeweiligen Regierung finden sich in Medien beider Länder.
Ein erster Schritt
Naftemporiki ist vorsichtig optimistisch, dass die Gespräche eine Entspannung bringen könnten:
„Die Einladung, die Sondierungskontakte wieder aufzunehmen, ist sicherlich ein erster Schritt, um die Spannungen abzubauen. ... Trotz dieses Schritts ist es offensichtlich, dass der Weg lang und schwierig sein wird. Denn die Türkei will ihre Agenda erweitern und schätzt, dass sie noch mehr erreichen kann. … Auf der anderen Seite hat die griechische Seite klargestellt, dass sie eine Erweiterung der Agenda nicht akzeptieren wird, und wiederholt, dass es allein um die Definition von Seezonen geht. In jedem Fall werden die kommenden Wochen äußerst wichtig sein. … Ob der türkische Präsident seinen europäischen Anzug anbehält, oder ob er ihm bald zu eng wird, bleibt abzuwarten.“
Die Falle des Dialogs
Dass Athen ohne klar definierte Tagesordnung in die Gespräche eingewilligt hat, ist fatal, kritisiert Dimokratia:
„Die türkische Seite versucht bereits, eine Agenda aufzustellen, die viel umfangreicher ist als diejenige, die die griechische Seite laut öffentlicher Darstellung zu diskutieren bereit ist. … Es gibt viele Experten, die befürchten, dass wir mit einer solchen 'mysteriösen' Agenda viele weitere Situationen mit hoher Intensität erleben werden, falls diese Gespräche nichts bringen - so wie es bei den letzten 60 Mal der Fall war.“
So erreicht die Türkei nichts
Um die EU, die USA und die Nato zu beschwichtigen, setzt die türkische Regierung die Interessen des Landes aufs Spiel, kritisiert Cumhuriyet:
„Jetzt schaltet die AKP-Regierung einen Gang zurück und setzt sich mit Griechenland an den Verhandlungstisch! Dafür zieht sie ihre früheren Forderungen zurück, holt das Forschungsschiff Oruç Reis aus dem Golf von Antalya zurück und akzeptiert die bedingte, begrenzte Agenda Athens. ... All das, um die Hürden des Amtsbeginnes von Joe Biden am 20. Januar, der Nato-Sitzung am 17. Februar und des EU-Gipfels am 25. März zu überwinden. Die AKP mag durch die Überwindung dieser Hürden Zeit gewinnen, doch durch ihren Rückzug und ihre Kompromisse gleich zu Anfang riskiert sie die Interessen der Türkei.“
Jetzt braucht es Empathie
Wie 2021 das Jahr der Wiederannäherung zwischen der EU und Ankara werden könnte, beschreibt der Türkei-Korrespondent des Handelsblatt, Ozan Demircan:
„Ohne Druck wird es zwar nicht gehen. Doch sollten sich Amerikaner und Europäer gut überlegen, wie weit sie dabei gehen können. Sanktionen mögen kurzfristig wehtun. Langfristig führen sie dazu, dass die Türkei sich anderswohin orientiert. Besser wäre es, gemeinsame Projekte an eine politische Wiederannäherung zu knüpfen. Etwa eine neue Zollunion, von der beide Seiten profitieren würden. Außerdem ist Dialog wichtiger denn je. ... Was bisher fehlt, und zwar auf beiden Seiten, ist Empathie. Erst wenn beide einsehen, dass sie aufeinander angewiesen sind, kann eine Annäherung gelingen. Ankara und Athen können das jetzt beweisen.“