Russland macht Champagner zu Sekt
In Russland gilt ab sofort ein Gesetz, wonach der Begriff "Schampanskoje" - wie man im Russischen jeden Sekt nennt - russischen Produkten vorbehalten ist. Alle anderen, auch der Champagner aus der französischen Champagne, müssen fortan als "igristoje wino" (Schaumwein) deklariert werden. In Europas Presse finden sich neben ernsthaften Kommentaren auch viel Spott und ungläubiges Staunen.
Wie wenn Lada neu Mercedes heißen würde
Die Neue Zürcher Zeitung mokiert sich:
„Die Franzosen schäumen, anders kann man es nicht sagen. ... Der Champagner wird zum Schaumwein degradiert. Dafür nennt sich jede halbwegs prickelnde Strassenrandrebe aus eigenem Anbau jetzt 'Schampanskoje'. Das ist ungefähr so, als müsste Mercedes in Russland unter dem Markennamen Murksedes antreten, während der gute alte Name auf Ladas prangt. ... Dem Vernehmen nach steckt hinter dem Coup Präsident Putin persönlich. ... Nach den Zeiten der Bärenjagd interessiert er sich jetzt für das perlende Getränk. Man hört, dass er die vielen Jahrzehnte der Macht irgendwann auf einem eigenen Weingut auslaufen lassen möchte. Es wäre ja kein schlechtes Bild: der Autokrat im Unkraut und beim Kraulen der Trauben.“
Boykott träfe die Falschen
Neatkarīgā findet es richtig, dass die Hersteller von einer Liefersperre abgesehen haben:
„Wenn die Hersteller von echtem Champagner den russischen Markt boykottieren würden, könnten sie damit Putin oder die russische Regierung in keiner Weise treffen. Denn wenn diese Leute einen echten Dom Pérignon von Moët et Chandon probieren wollten, würden sie das Problem trotz Boykott lösen. ... [Stattdessen] wären die einzigen, die bestraft würden, die Fans von echtem Champagner in Russland. Echter Champagner ist einer der teuersten Weine. Er wird von denen gekauft, die es sich leisten können. Wenn seine Hersteller den russischen Markt boykottieren würden, würden wahre Champagnerliebhaber bestraft.“
Brot und Wodka für Iwan Normalverbraucher
Ziemlich abgehoben mutet Echo Moskwy die Aufregung um die ganze Sache an:
„Wenn Buchweizen, Zucker und Möhren teurer werden, ist es unterhaltsam, die Probleme rund um französischen Champagner zu erörtern. Die große Mehrheit der Mitbürger hat nie Champagner getrunken. Und die Mehrheit der Übrigen erlaubt ihn sich einmal im Jahr zu Neujahr, wenn wir uns mal etwas gönnen wollen. ... Denn unser über Jahrhunderte ausgehungertes Volk ist schon froh, dass es überhaupt was zum Futtern zu kaufen gibt und man sich immer den Bauch mit Brot und Nudeln vollschlagen kann. Dazu gibt es Wodka - aber gewiss keinen Schampanskoje oder Schaumwein oder wie auch immer das heißt.“
Parallelwelt mit eigenen Regeln
Russland kehrt dem restlichen Europa mehr und mehr den Rücken, meint der Publizist Pawlo Kasarin auf Krym Realii:
„Der Kreml hat Russland zu einer separaten Zivilisation erklärt, über die zu diskutieren oder gar sie zu verurteilen Europa nicht berechtigt ist. Die gesamte Interaktion mit dem Westen wird von nun an nur auf den Im- und Export reduziert. ... Doch auch hier verlangt Moskau von Europa, sich seinen Bedingungen zu fügen - und deshalb verspricht man den französischen Winzern den Zugang zum russischen Markt nur, wenn diese ihren Champagner in Sekt umbenennen. Bisher hatte Russland versucht, der wichtigste Europäer im postsowjetischen Raum zu sein. Jetzt fährt man einen anderen Kurs.“