(© picture-alliance/dpa)

  Flucht nach Europa

  19 Debatten

An der Grenze zwischen Belarus und Polen drängen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt immer noch Tausende Migranten nach Westen, Polen reagiert mit massiven Polizeieinsätzen und erwägt inzwischen, die Nato einzubeziehen. Minsk richtet nun zwar Notunterkünfte ein und die EU macht Druck gegen verdächtige Fluglinien. Das Verständnis für Polens scharfe Abwehrhaltung ist in Europas Presse jedoch nicht ungeteilt.

Die Lage an den EU-Außengrenzen zu Belarus bleibt angespannt. Polen will eine Mauer bauen, und auch Litauen weist die meisten Migranten ab. Auch in den Medien der betroffenen Länder ist die Diskussion über den richtigen Umgang mit den Menschen, die durch Machthaber Lukaschenkas "hybride Kriegsführung" an ihren Grenzen aufwarten, noch alles andere als abgeflaut.

Seit Belarus verstärkt Durchreisende die Grenze nach Litauen und Polen passieren lässt, hat sich die Situation im Grenzgebiet verschärft. In Litauen protestieren Schutzsuchende gegen die schlechten Lebensbedingungen. Im Gebiet zwischen Polen und Belarus wurden vor einigen Tagen mehrere Tote gefunden. Die litauische Landespresse ist uneins, welcher Umgang mit den Einwanderern angemessen und zielführend wäre.

Spanien hat die meisten der mehr als 8.000 erwachsenen Geflüchteten wieder abgeschoben, die in der vergangenen Woche die Grenze zwischen Marokko und der Enklave Ceuta überquerten. Offenbar hatte Rabat die Migrationsströme weniger kontrolliert, weil derzeit in einem spanischen Krankenhaus Brahim Ghali behandelt wird, Führer der Westsahara-Befreiungsbewegung Polisario.

Private Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen und Sea-Eye haben ihre Einsätze zur Rettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer vorerst beendet. Grund dafür sind Sicherheitsbedenken angesichts der Drohungen der von Milizen kontrollierten libyschen Küstenwache. Kommentatoren streiten sich über den Einfluss der NGO-Einsätze auf die Fluchtbewegungen.

"Wenn die einzigen Häfen, in die Flüchtlinge gebracht werden, italienische Häfen sind, stimmt etwas nicht", sagte der italienische Innenminister Marco Minniti bei einem Treffen mit Amtskollegen in Paris. Italien droht, die eigenen Häfen für ausländische Rettungsschiffe zu schließen. Kann Rom eine Wende in der Flüchtlingspolitik erzwingen?

55 Prozent der Europäer würden einen Stopp der Einwanderung aus muslimischen Ländern befürworten. Das ergab eine Studie des britischen Think Tanks Chatham House. Diese Ergebnisse scheinen zu den jüngsten Bestrebungen zu passen, das Asylrecht zu verschärfen, wie sie unter anderem in Deutschland und Großbritannien sichtbar werden. Ist Europas Kritik an Trump scheinheilig?

Tausende in Europa gestrandete Flüchtlinge kämpfen derzeit insbesondere in Griechenland und Serbien bei bitterer Kälte um ihr Überleben. Auf den griechischen Inseln scheiterten die Behörden mit dem Vorhaben, sie in Hotels unterzubringen. Der ungarische Außenminister hält indessen an der Abriegelung der Grenze zu Serbien fest. Und Europa? Schaut zu, bemerken Kommentatoren bitter.

In Bulgariens größtem Flüchtlingslager in Charmanli an der türkischen Grenze ist es vergangene Woche zu Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und Polizei gekommen. Etwa 1.000 junge Männer hatten gegen eine Ausgangssperre rebelliert und dabei Steine geworfen und brennende Barrikaden errichtet. Bulgarische Beobachter kritisieren, dass die EU das Land in eine absurde Zwickmühle gebracht hat.

Das als "Dschungel" bezeichnete Flüchtlingslager in Calais ist am Montag von der Polizei geräumt worden. Die mehr als 6.000 Bewohner werden in Aufnahmezentren in ganz Frankreich untergebracht. Während einige Kommentatoren sich mit dem Schicksal der Flüchtlinge beschäftigen, fordern andere von der EU, endlich eine wirksame Migrationspolitik umzusetzen.

Erwachsene Flüchtlinge, die anscheinend ihre Minderjährigkeit vortäuschten, um vor der Räumung des Lagers im französischen Calais nach Großbritannien reisen zu dürfen, heizen die Debatte an. London hatte zuvor die Aufnahme von bis zu 300 Flüchtlingskindern aus Calais in Aussicht gestellt. Müssen die Behörden scharf kontrollieren, damit echte Kinder den gebührenden Schutz erhalten? Oder ist das eigentliche Verbrechen das Verweigern der Hilfe für Not leidende Erwachsene?

Im Spätsommer 2015 entschied Bundeskanzlerin Angela Merkel, Flüchtlinge vom Budapester Bahnhof Keleti nach Deutschland zu holen. Danach kam es zu einem Anstieg der Flüchtlingszahlen in Europa. Merkel unterstrich ihre Politik mit den Worten "Wir schaffen das". Bis heute ist die europäische Presse über dieses Ereignis tief gespalten.

Ankara will syrischen Flüchtlingen die türkische Staatsbürgerschaft erteilen. Präsident Erdoğan hatte das Vorhaben Anfang des Monats initiiert. Die Opposition wirft ihm vor, sich so die Stimmen dankbarer Neubürger sichern zu wollen. Alles nur politisches Kalkül?

Mehr Menschen als jemals zuvor sind weltweit auf der Flucht: Wie das UN-Flüchtlingswerk UNHCR am Montag mitteilte, mussten im vergangenen Jahr 65,3 Millionen ihre Heimat verlassen. Ein Jahr zuvor waren es 59,5 Millionen. Kommentatoren gehen mit der Staatengemeinschaft hart ins Gericht.

Bei drei Bootsunglücken vor Sizilien sind vergangene Woche vermutlich mehr als 700 Flüchtlinge gestorben. Dies berichteten am Sonntag UNHCR und Save the Children. Mehr als 13.000 Menschen wurden laut italienischer Küstenwache innerhalb von sechs Tagen gerettet. Wann wird die Politik endlich reagieren?

Im sächsischen Clausnitz haben rund 100 Demonstranten ankommende Flüchtlinge beschimpft, während diese sich vor Angst nicht aus dem Bus trauten. Das zeigt ein Video im Internet. Auf einem weiteren ist zu sehen, wie ein Polizist gewaltsam einen Minderjährigen aus dem Bus zerrt. Für die deutsche Presse ein Beweis dafür, wie sehr die Gesellschaft bereits verroht ist.

Nach ihrer Flucht aus dem Kampfgebiet um Aleppo verharren weiter zehntausende Menschen an der syrisch-türkischen Grenze. Die Türkei versorgt sie mit Lebensmitteln und Zelten, lässt sie aber nicht einreisen. Wer ist verantwortlich für das Elend an der Grenze?

Nachdem Ungarn die südlichen Grenzen abgeriegelt hat, versuchen tausende Flüchtlinge über Serbien, Kroatien und Slowenien nach Norden zu gelangen. Doch weil diese Länder ihrerseits die Grenzen zeitweise schließen, sitzen viele Flüchtlinge fest. Einige Kommentatoren fürchten, dass der Rückstau in Gewalt mündet. Andere kritisieren, dass die gastfreundliche Rhetorik Deutschlands nicht zur Problemlösung beiträgt.