Tschechien: Abi-Noten offenbaren Bildungsmisere

In Tschechien haben die Abiturienten in diesem Jahr bei ihren schriftlichen Prüfungen so schlecht abgeschnitten wie kein Jahrgang zuvor. Namentlich in Tschechisch und Mathematik rasselten sie massenhaft durch. Da dieser Trend schon seit geraumer Zeit zu beobachten ist, machen sich Kommentatoren ernsthaft Sorgen um das gesamte Bildungssystem.

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Aktuálně.cz (CZ) /

Kein Wunder - Busfahrer verdienen mehr als Lehrer

Die schlechten Leistungen der Abiturienten hängen direkt mit der Unterbezahlung der Lehrkräfte zusammen, glaubt Aktuálně.cz:

„Die Abi-Prüfungen sind nicht nur Prüfungen für die Gymnasiasten. Sondern jedes Jahr auch eine Prüfung für den Staat mit seinem Bildungssystem. Dieses System versagt, die Ergebnisse werden nicht besser. In Tschechisch fielen mehr als zehn Prozent durch, in Mathematik erlebten wir ein Waterloo: Dort versagten mehr als 22 Prozent völlig, 24,5 Prozent hangelten sich gerade noch zur zweitschlechtesten Note 4. ... Die Ergebnisse haben Gründe: Wir bezahlen Lehrer im Vergleich zu allen entwickelten Ländern besonders schlecht. Jeder Busfahrer verdient mehr als ein Lehrer. Ab 2021 soll das Mathe-Abitur für alle verpflichtend sein. Das klingt angesichts der aktuellen Ergebnisse wie schwarzer Humor.“

Mladá fronta dnes (CZ) /

Wie zu Zeiten von Kaiser Franz Josef

Erfolge im Bildungssystem hängen nicht nur mit der Bezahlung der Lehrer zusammen, kontert Mladá fronta dnes:

„Während die technologischen Entwicklungen ein unglaubliches Tempo vorlegen, stellt sich das Bildungssystem bei uns als eine am Stock gehende alte Dame dar. Mehr noch: Diese alte Dame ist von Bürokraten und Konservativen umgeben, die alles tun, damit die Schulausbildung ja nicht ein bisschen anspruchsvoller wird. Gängig sind bei uns Formen der Bildung, die an die Zeit des österreichischen Kaisers Franz Josef erinnern. Die Schüler sind zum Frontalunterricht verdammt. Und die Lehrer sind nur mäßig kompetent, vermitteln Wissen, das rasch vergessen wird. Eine Veränderung wird es nur geben, wenn die Direktoren und Lehrer sich selbst dafür entscheiden. Nichts anderes hilft. Auch nicht 1000 Reformen oder eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte.“