Plötzliche Eskalation zwischen Moskau und Baku

Russland und Aserbaidschan sind heftig aneinandergeraten: In Jekaterinburg waren am Sonntag mehrere Aserbaidschaner verhaftet worden, angeblich wegen lange zurückliegenden Mordfällen. Zwei der Festgenommenen waren kurz darauf tot – nach Angaben aus Baku aufgrund schwerer Misshandlungen. Dort wurden daraufhin – betont brutal – Russen, darunter Mitarbeiter des russischen Staatssenders Sputnik, festgenommen. Was steckt hinter dem Konflikt?

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Radio Kommersant FM (RU) /

Patriotisches Punktesammeln

Radio Kommersant FM beklagt, dass die Führung in Baku sich auf Kosten Russlands profilieren möchte:

„Beziehungen, die noch vor kurzem vorbildlich schienen, gehen den Bach hinunter. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Ereignisse in Jekaterinburg nur ein begierig aufgegriffener Vorwand waren. ... Aserbaidschan beginnt, sich wie eine Regionalmacht zu verhalten. ... Dabei wird Russland bereits als Ex-Hegemon wahrgenommen, den man ignorieren und allmählich aus der Region verdrängen kann. Und auf dessen Kosten sich Selbstbestätigung finden und in den Augen der 'patriotischen Öffentlichkeit' im Lande gepunktet werden kann.“

Espreso (UA) /

Kreml kann einfach nicht loslassen

Wenn ehemalige Sowjetrepubliken Stärke zeigen, hyperventiliert Russland, schreibt Politikexperte Oleh Posternak in einem von Espreso übernommenen Facebook-Post:

„Ich kann mir vorstellen, welches Maß an Hysterie in Moskau herrscht – wegen eines weiteren 'zweitklassigen' Landes, das an den 'Grundeinstellungen' Russlands rüttelt. ... Die schmerzhaftesten und empfindlichsten Schläge für Russland sind jene, die von ehemaligen Sowjetrepubliken kommen – besonders von der Ukraine, Kasachstan und Aserbaidschan. Sie haben am konsequentesten und effektivsten eine echte Souveränisierung sowie Ausbalancierung (oder gar vollständige Demontage) des russischen Einflusses vollzogen: die Ukraine mit ihrem Kurs in Richtung EU, Kasachstan mit dem Blick nach China, Aserbaidschan durch seine enge Koalition mit der Türkei.“

Echo (RU) /

Umfassendes außenpolitisches Fiasko

Moskau verliert parallel auch seinen alten Verbündeten Armenien, das gegenwärtig versucht, sich nach dem verlorenen Krieg um Berg-Karabach mit Aserbaidschan zu arrangieren, so Journalist Dmitri Kolesew in einem von Echo übernommenen Telegram-Post:

„Meines Erachtens hat Russland versucht, den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt auszunutzen, läuft aber letztlich Gefahr, seinen Einfluss auf beide Republiken – und die gesamte Region – zu verlieren. Das wird die EU und vor allem die Türkei, die mit Russland im Südkaukasus konkurrieren, sicher freuen. Wenn es so kommt, wäre dies für Moskau ein schwerer außenpolitischer Misserfolg.“