Ukraine: Vieles ist möglich – aber gefährlich

Bunt, vielfältig und widersprüchlich sind die ukrainischen Medien. Wer sich bewusst informiert, hat gute Chancen, ein einigermaßen verlässliches Bild über die aktuelle Lage der Gesellschaft zu erhalten. Inhaltlich gibt es nur ein Tabu: Wer den Krieg im Osten des Landes als "Bürgerkrieg" bezeichnet, gilt als "prorussisch" oder gar "Ukrainehasser" und muss mit Repressalien rechnen.

Der ukrainische Fernsehkanal 112 wurde im Juli 2019 von Unbekannten mit einem Granatwerfer beschossen. Im September 2019 wurde ihm die Sendelizenz entzogen, seitdem ist er nur noch online, per Kabel oder Satellit erreichbar.
Der ukrainische Fernsehkanal 112 wurde im Juli 2019 von Unbekannten mit einem Granatwerfer beschossen. Im September 2019 wurde ihm die Sendelizenz entzogen, seitdem ist er nur noch online, per Kabel oder Satellit erreichbar.
Ukrainische Behörden sind in jüngster Vergangenheit mehrfach gegen unliebsame Medien vorgegangen. Im September 2019 entzog der staatliche Fernsehrat dem TV-Sender 112.ua die Sendelizenz. Der Chefredakteur von strana.ua, Ihor Guschwa, floh aus Angst vor einer Inhaftierung im Januar 2018 nach Österreich, wo er im September gleichen Jahres politisches Asyl erhielt.

Doch im digitalen Zeitalter sind Verbote oder ein Entzug von Sendelizenzen nur bedingt effektiv. Wesentlich stärker als von den staatlichen Versuchen, Medien zu gängeln, wird der Journalismus in der Ukraine von Drohungen und Gewalt beeinträchtigt.

Nach Angaben von Sergiy Tomilenko, Chef der nationalen Journalistengewerkschaft, wurden von 2017 bis 2019 insgesamt 250 Gewaltakte gegen Journalisten dokumentiert. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2020 hat die Gewerkschaft 15 Gewaltakte registriert. Betroffen von dieser Gewalt sind russlandfreundliche Journalisten genauso wie prowestlich eingestellte Medienvertreter. Die meisten Fälle haben nicht mit (geo-)politischen Fragen zu tun, sondern mit Korruption.

Schlagzeilen über die Landesgrenzen hinaus machte im Jahr 2000 der Mord an Heorhij Honhadse (Georgi Gongadze), dem Gründer der Ukrajinska Prawda. Nach dem Maidan 2014 wurden 2015 der russlandfreundliche Publizist und Ex-Chefredakteur der Tageszeitung Segodnja, Oles Busina, und 2016 der aus Belarus stammende Geschäftsführer der Ukrajinska Prawda, Pawel Scheremet, ermordet. Großes Aufsehen erregte schließlich auch der Mord an dem Enthüllungsjournalisten Wadim Komarow. Er wurde am 4. Mai 2019 überfallen und erlag sechs Wochen später seinen Verletzungen.

Der Markt der Tageszeitungen ist stark von russischsprachigen Blättern mit hohem Boulevardanteil (Westi, Segodnja, Fakty, KP) dominiert. Als politische Tageszeitung mit hohem Anspruch hat sich einzig das zweisprachig erscheinende Blatt Den gehalten. Im Bereich der Wochenzeitungen hat sich das russischsprachige Journal NV (früher: Nowoje Wremja) als führendes analytisches Magazin etabliert, das gleichzeitig auch ein sehr professionelles Internetportal betreibt.

Auch der ukrainische Medienmarkt unterliegt einer starken Digitalisierung. Reine Onlineportale, wie die im Jahr 2000 gegründete Ukrajinska Prawda, haben großen Einfluss. Soziale Medien, hierbei insbesondere Facebook, werden intensiv für Diskussionen genutzt. Als wesentliche Informationsquelle dient in der Ukraine trotz der starken Internetverbreitung das Fernsehen. 2020 zählte die TV-Landschaft gut zehn reine Nachrichtensender.

Rangliste der Pressefreiheit (Reporter Ohne Grenzen): Platz 97 (2020)

Stand: April 2020
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