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  Rentenreformen in Europa

  18 Debatten

In der Schweiz haben 58,2 Prozent der abstimmenden Wähler in einem Referendum für die Einführung einer 13. Monatsrente für alle Rentnerinnen und Rentner gestimmt. Damit wird die AHV-Rente ad hoc um 8,3 Prozent erhöht. Sie gilt als erste Säule der Altersversorgung, eine Art Grundrente für alle, in Höhe von aktuell maximal 2.450 Franken. Vor wenigen Jahren war eine ähnliche Initiative gescheitert.

Frankreichs Präsident Macron hat die umstrittene Rentenreform in Kraft gesetzt - nur wenige Stunden, nachdem der französische Verfassungsrat sie in wesentlichen Punkten gebilligt hatte. Gerade die Punkte, die vorteilhaft für Arbeitnehmer gewesen wären, wurden aber aus formalen Gründen aus dem Gesetz gestrichen. Macron verteidigte sein Vorgehen und erklärte am Montag, er gebe sich 100 Tage Zeit, um das Land zu befrieden.

In Frankreich halten die Streiks und Proteste gegen die umstrittene Rentenreform an. Präsident Macron hatte in einem TV-Interview sein Vorgehen gerechtfertigt, das Projekt am Parlament vorbei durchzusetzen: Die Reform sei "eine Notwendigkeit für das Land", dafür nehme er in Kauf, sich unbeliebt zu machen. Europas Presse debattiert die Gründe für die aktuelle Spaltung und wohin diese noch führen kann.

Nach monatelangen Verhandlungen hat die spanische Regierung ihre Planungen für eine Rentenreform abgeschlossen, die den Ansturm der "Babyboomer" auf den Ruhestand abfedern soll. Staatliche Zuschüsse sollen erhöht und durch angehobene Beiträge ausgeglichen werden. Der Entwurf soll noch mit den Arbeitgebern und Gewerkschaften abgestimmt werden. Kann die Reform Löcher in der Rentenkasse stopfen?

In Frankreich haben erneut Hunderttausende mit Streiks und Demonstrationen gegen die geplante Rentenreform protestiert. Nach Behördenangaben gingen landesweit 1,3 Millionen Menschen auf die Straße. Fern- und Nahverkehrszüge fielen aus, Lehrer legten die Arbeit nieder und Raffinerien wurden blockiert. Was bedeutet der starke Widerstand?

Trotz massenhafter Proteste bleibt Frankreichs Regierung bei ihrem Ziel, die Rente grundlegend zu reformieren. Die Änderungen seien für ein finanziell ausgeglichenes System notwendig, erklärte Arbeitsminister Olivier Dussopt am Montag. Kernpunkt der Reform ist die Anhebung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre und der Beitragszeit auf 43 Jahre. Skeptische Töne in Europas Kommentarspalten.

Nach langem Zögern will die französische Regierung nun die mehrfach angekündigte Rentenreform angehen. Laut den von Premierministerin Elisabeth Borne vorgestellten Plänen soll das Renteneintrittsalter bis 2032 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Gewerkschaften kündigten Protest an.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss die Schweiz ihre Gesetzgebung bei Witwenrenten reformieren. In der Alpenrepublik bekommen Witwen eine unbefristete Hinterlassenenrente. Für Witwer gibt es hingegen nur Geld, solange sie minderjährige Kinder haben. Dagegen klagte ein Schweizer Witwer. Sollen jetzt die Männer mehr Geld bekommen? Oder die Frauen weniger?

Nach ergebnislosen Verhandlungen in der Nationalversammlung will die französische Regierung ihre umstrittene Rentenreform nun per Verordnung durchsetzen. Ob Emmanuel Macron mit diesem von der Verfassung gedeckten Kniff die demokratischen Prinzipien aushebelt, diskutieren Kommentatoren.

Das Parlament in Tallinn wird am heutigen Mittwoch voraussichtlich einer Rentenreform zustimmen: Die sogenannte zweite Säule, die private Rücklage für die Rente, soll künftig freiwillig sein. Bisher mussten Arbeitnehmer zwei Prozent ihres Gehalts auf Sparkonten einzahlen, der Staat gab vier Prozent dazu. Auch bereits gespartes Geld soll nun abgehoben werden dürfen. Estlands Presse ist voller Kritik.

Hunderttausende Menschen sind am Donnerstag erneut in ganz Frankreich gegen die geplante Rentenreform auf die Straße gegangen - der vierte Massenprotest in fünf Wochen Dauerstreik. Nah- und Fernverkehr wurden massiv beeinträchtigt; auch Anwälte, Lehrer und Mitarbeiter der Post legten ihre Arbeit nieder. Europas Presse fragt sich, ob Macron dem Druck der Straße noch länger standhalten kann.

Der Kampf um die geplante Rentenreform in Frankreich spitzt sich trotz Zugeständnissen der Regierung weiter zu. Zwar hatte Premier Edouard Philippe nach massiven Protesten eine abgeschwächte Version der kritisierten Pläne vorgestellt. Doch die seit zwei Wochen andauernden Streiks gehen unvermindert weiter. Kommentatoren betonen die mangelnde demokratische Legitimierung der Verhandlungspartner.

Die Regierung in Den Haag hat diese Woche eine Initiative zur Belebung der seit acht Jahren dauernden Verhandlungen über eine Rentenreform gestartet. Zuvor hatten Rentenfonds mit Kürzungen gedroht, weil ihnen die Reserven ausgingen. Kommentatoren sehen das in den Niederlanden traditionelle Poldermodell am Ende, in welchem Arbeitgeber, Gewerkschaften und Regierungsgesandte einen Konsens finden.

Italiens Regierung hat am Donnerstag die Umsetzung von zwei zentralen Wahlversprechen beschlossen: Das Bürgereinkommen, eine Grundsicherung, von der möglicherweise künftig Millionen Menschen profitieren. Und eine Rentenreform, die für rund 350.000 Italiener eine Senkung des Rentenalters bedeuten könnte. Die italienische Presse ist skeptisch.

Menschen leben länger und weniger Kinder werden geboren - in fast allen Ländern Europas üben diese Entwicklungen Druck auf die Rentenkassen aus. Regierung und Gesellschaft müssen sich damit auseinandersetzen, dass immer weniger Junge die Renten von immer mehr Älteren mitfinanzieren - und Kommentatoren finden in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche Antworten auf diese Herausforderung.

Kroatiens Arbeitsminister Marko Pavić hat vorgeschlagen, die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf das Jahr 2031 vorzuziehen. Ursprünglich war die Erhöhung von 65 auf 67 Jahre erst für das Jahr 2038 geplant. Die Einführung der Rente mit 67 folgt einer Vorgabe der Europäischen Kommission. Für einige Journalisten kommt die Initiative zur richtigen Zeit, andere sorgen sich um die Rentner von morgen.

In Russland ebbt der Protest gegen die geplante Rentenreform nicht ab. Am Wochenende gingen in mehreren Städten tausende Menschen trotz Verbots auf die Straßen. Die Polizei nahm mehrere hundert Demonstranten fest. Der inhaftierte Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte für den Samstag, an dem Regionalwahlen stattfanden, zu Protesten aufgerufen. Braut sich in Russland etwas zusammen?

Nach Protesten hat Russlands Präsident Putin seine Pläne zur Rentenreform abgemildert. In einer Fernsehansprache sagte er, das Rentenalter für Frauen solle nicht um acht, sondern nur um fünf Jahre angehoben werden und künftig bei 60 Jahren liegen. Dennoch bleibe die Reform wegen "schwerwiegender demografischer Probleme" notwendig. Klug kalkulierter Rückzieher oder Zeichen der Schwäche?