Feuerinferno bei Athen: Was sind die Lehren?
Die Zahl der Opfer durch die verheerenden Waldbrände im Umland von Athen ist nach Angaben der Behörden inzwischen auf 83 gestiegen. Bei der Katastrophe wurden so viele Menschen getötet wie bei keinem anderen Feuer in Europa im 21. Jahrhundert. Inzwischen hat die Feuerwehr die Brände weitgehend unter Kontrolle, doch die Ursachenforschung in Europas Medien geht weiter.
Moderne Technologie blieb ungenutzt
Über die Fehler und Μängel bei der Bewältigung dieser Katastrophe schreibt Costas Synolakis, Professor für Naturgefahren an der Universität Kreta in Kathimerini:
„In Griechenland gibt es nur wenige Gebiete, in denen Katastrophenschutzübungen durchgeführt wurden. Es gibt keine Karten von Hochrisikogebieten und möglichen Fluchtwegen oder irgendeine Art von Kampagne zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die Risiken, denen sie an ihrem Wohnort ausgesetzt ist. ... Wir haben das Farsite-System [Modell zur Berechnung der Ausbreitung von Bränden] der US-Forstbehörde im Jahr 2014 getestet. ... Wie wir aber jetzt gesehen haben, wussten weder die Einsatzzentrale der Katastrophenschutzbehörde noch die städtischen Behörden in dem betroffenen Gebiet, welche Möglichkeiten die moderne Technologie für die Planung der Evakuierung dicht besiedelter Waldgebiete bietet.“
Nicht auf Kosten des Brandschutzes sparen
Parallelen zu den Waldbränden vergangenes Jahr in Portugal sieht Diário de Notícias:
„Wer Steuern zahlt - und das sind nicht gerade Wenige - kann sich nicht jedes Mal völlig ungeschützt fühlen, wenn ein Feuer ausbricht. Weder in Portugal noch in Griechenland. Was wir in Athen zu sehen bekommen haben, war der pure Horror. Bei den Portugiesen wurden die Erinnerungen an die verheerenden Waldbrände im Juni und Oktober 2017 neu entfacht. In beiden Ländern fehlt es nicht an Rechtfertigungen für das Feuer. ... Was bleibt, ist ein Gefühl der totalen Machtlosigkeit und des fehlenden Schutzes seitens des Staats (das die Portugiesen sehr gut kennen) . ... Es gibt Dinge, die jeder Staat gewährleisten muss, wie die Sicherheit seiner Bürger. Ein Staat kann viele Troika-Pläne umsetzen - er darf dabei aber nicht seine Schlüsselfunktionen aufgeben. “
Hass auf Griechen vergiftet Türkei
In der Türkei haben Nutzer sozialer Medien die Feuer-Katastrophe in Athen begrüßt und gefordert, Benzin auf die griechischen Feinde zu schütten. Die Wochenzeitung der armenischen Minderheit Agos ist entsetzt:
„Es gibt zu viele solcher Menschen und sie reichen aus, um die Gesellschaft zu vergiften. Es genügt nicht zu sagen, dies seien Einzelfälle. Vor allem weil dies nicht der erste 'Vorfall' war, und wahrscheinlich auch nicht der letzte sein wird. ... Hier existiert eine narzisstische, paranoide und egozentrische Typologie. Vielleicht besitzt nicht jeder, der diese Ausdrücke verwendet, diese Merkmale individuell, doch sobald kollektiv aus der nationalen Identität heraus gesprochen wird, zeigen sich diese Merkmale. Das ist eine erlernte Haltung und ein Problem von uns allen, denn es bildet die Basis eines politischen Systems, das unser aller Leben zur Hölle macht.“
Besserwisserei hilft nicht weiter
Dass bei noch laufenden Löscharbeiten über die angebliche Unzulänglichkeit der griechischen Feuerwehr diskutiert wird, empört tagesschau.de:
„In Wahrheit sind auch in Griechenland seit Jahrzehnten Wissenschaftler und erfahrene Wald- und Brandexperten intensiv dabei, bessere Konzepte gegen die Auswirkungen von Bränden zu erforschen. Es gibt gute Beispiele etwa auf der Insel Thassos, wie eine verbesserte Waldwirtschaft die bösen Folgen von Bränden für Bäume, Tiere und Menschen abmildern kann. Wie bei anderen griechisch-europäischen Themen hilft Besserwisserei nicht weiter, sondern nur das Handausstrecken und die Einladung, gemeinsam über neue, effektivere Wege bei der Brandbekämpfung und der Vorsorge zu sprechen.“
Politiker sind schlechte Katastrophen-Manager
Um die Folgen von Naturkatastrophen besser bewältigen zu können, braucht Griechenland eine überparteiliche Institution, fordert Naftemporiki:
„Die Tragödien wiederholen sich. Wenn es in Griechenland regnet, ertrinken Menschen und bei Feuer verbrennen wir. Das erleben wir bei jeder Naturkatastrophe - unabhängig von der Partei, die gerade regiert. Es ist also an der Zeit, ein modernes europäisches Land zu werden. Es muss endlich eine überparteiliche Koordinierungsstelle eingerichtet werden, die nur aus Experten besteht. Aus Menschen, die das Wissen und die Erfahrung haben, Leben zu retten. Aus Menschen, die sich nur für die Menschen interessieren - und sich nicht nur alle vier Jahre im Zuge von Wahlen an sie erinnern.“
Das sind die Folgen des Klimawandels
Die Toten der Waldbrände in Griechenland zwingen uns, nach den Ursachen zu schauen, mahnt The Irish Times:
„Es gibt genügend überzeugende Beweise dafür, dass extreme wetterbedingte Ereignisse - Waldbrände, Überschwemmungen, Hurrikane, Stürme, Lawinen und Dürren - global immer häufiger auftreten. ... Die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler auf diesem Gebiet ist sich einig, dass der Grund für diesen Anstieg ein sich beschleunigender Klimawandel ist. ... Die Zeit für Plattitüden und weichgespülte grüne Werbekampagnen ist längst vorbei. Die Verlangsamung des Klimawandels ist das entscheidende Thema des Jahrhunderts. Die Folgen des Scheiterns liegen nicht in ferner Zukunft, sondern spielen sich direkt vor unseren Augen ab.“
Krokodilstränen sind fehl am Platz
Ihre Anteilnahme für Griechenland können sich die EU-Politiker an den Hut stecken, wettert der Kolumnist Aris Chatzistefanou auf dem Portal Infowar und kritisiert zugleich die hohen Verteidigungsausgaben:
„Die Leute sind empört, wenn sie sehen, wie Juncker und andere europäische Beamte angesichts der Opfer Krokodilstränen vergießen, weil sie wissen, dass sie es sind, die die Sparmaßnahmen durchgesetzt haben. Sie haben damit die Funktionsfähigkeit des Staats eingeschränkt und die Gelder für den Brandschutz vernichtet. ... Die Leute wissen sehr gut, wie viele Löschflugzeuge wir hätten, wenn wir nicht das Land wären, das nach den USA die zweithöchsten Militärausgaben innerhalb der Nato hat - und das einzige Land, das inmitten der Krise den Verteidigungshaushalt erhöht hat.“
EU hat also doch eine Seele
Angesichts der Brände zeigt Europa ein anderes Gesicht, freut sich der Wirtschaftsjournalist Ettore Livini in La Repubblica:
„Nach acht Jahren des Misstrauens und der Missverständnisse ist Europa gestern nach Griechenland zurückgekehrt, um Solidarität zu zeigen. 'Jetzt ist die Zeit zu kämpfen, mutig und vereint zu sein', lautete der Appell von Premier Tsipras nach den tragischen Bränden bei Athen. Und die EU reagierte in Rekordzeit. ... Angesichts der Flammen und der dramatischen Berichte der Opfer hat der Alte Kontinent sein Herz in die Hand genommen und ein Stück seiner Seele zurückgewonnen. Er hat bewiesen, dass Europa mehr ist, als Haushaltsverpflichtungen und Maastrichter Kriterien einzuhalten - ein Lichtblick in dieser Zeit, in der der Souveränismus triumphiert.“
Brandschutz muss Priorität der Regierung werden
Nicht nur extreme Wetterbedingungen, sondern auch die Verzögerungen beim Aufbau einer wirksamen Infrastruktur zur Feuerbekämpfung haben zu dieser Katastrophe geführt, betont Protagon:
„Die Verantwortung für den Verzug hat natürlich nicht allein diese Regierung. Sie musste aber solche Krisen schon in den vergangenen dreieinhalb Jahren bewältigen. Der Premier sollte versprechen, dass er alles in seiner Macht stehende tun wird, damit so etwas in Griechenland nie wieder passieren wird. ... Er muss an verschiedenen Stellen Geld einsparen und er muss den heiligen Primärüberschuss in den Brandschutz und die Infrastruktur zur Brandbekämpfung stecken. Jetzt! Es gibt keine andere Priorität.“
Billige Ausreden kosten Menschenleben
Diese Tragödie hätte vermieden werden können, kommentiert To Vima Online:
„Griechenland hat viele bittere Erfahrungen mit dem Auftreten solcher Brände und hat dabei in den vergangenen Jahrzehnten Hunderte von Opfern betrauert. Dies bedeutet, dass es keine Entschuldigung mehr gibt für die geistige Trägheit der Regierung und der Behörden. Die Brände sind eine Tatsache und jedes Jahr werden sie gefährlicher. Es reicht jetzt, billige Ausreden darf es nicht mehr geben. ... Der Staat muss sich adäquat ausrüsten, und vor allem die Feuerwehr sollte die Möglichkeit haben, gleich nach dem Ausbruch von Bränden zu reagieren. Ansonsten werden wir leider jedes Jahr immer mehr Opfer zählen.“