Kriegsdrohungen zwischen Ankara und Athen
Nach mehreren Zwischenfällen droht eine Eskalation im Streit zwischen der Türkei und Griechenland. Zunächst warf Ankara Athen vor, im Luftraum über der Ägäis Jets bedroht zu haben, was die griechische Seite dementierte. Nun erklärte die türkische Regierung zudem, die griechische Küstenwache habe einen türkischen Frachter beschossen. Präsident Erdoğan droht mit einem Angriff auf griechische Inseln.
Beide Seiten zur Räson bringen
Der Türkei-Korrespondent der taz, Jürgen Gottschlich, hält die Situation für brandgefährlich:
„Was womöglich als Theaterdonner [im Wahlkampf] gedacht ist, kann in der angespannten Atmosphäre leicht aus dem Ruder laufen. Ein Schusswechsel kann eskalieren, weil niemand das Gesicht verlieren will und sich beide Seiten gerade stark fühlen. Es wird höchste Zeit, dass EU und USA beiden Seiten klarmachen, dass das Letzte, was die Welt jetzt brauchen kann, ein weiterer Krieg ist.“
Türkei in die Schranken weisen
Athen und Nikosia dürfen sich nicht mehr einschüchtern lassen, fordert Phileleftheros:
„Im Fall von Zypern und Griechenland versucht Erdoğan, seine Forderungen durch Angst durchzusetzen. Er glaubt, je bedrohlicher er wird, desto mehr Angst wird er in seinen beiden Nachbarländern auslösen und sie auf diese Weise zwingen, seinen Forderungen nachzugeben. Schließlich gibt es mehrere gute Beispiele aus der Vergangenheit, in denen sowohl Zypern als auch Griechenland Kompromisse mit den Forderungen der türkischen Seite eingegangen sind. … Es ist an der Zeit, dass sowohl Athen als auch Nikosia ihre Taktik und ihr Vorgehen gegenüber der Türkei ändern.“
Auf Abschreckung setzen
Dass die griechische Militärführung erklärt hat, dass man im Ernstfall auch auf einen Krieg vorbereitet sei, hält To Vima für eine angemessene Reaktion:
„Die Botschaft an Ankara ist klar und deutlich: Wir bleiben in der Defensive, aber wir sind auf den schlimmsten Fall vorbereitet, und wir sind bereit, in den Ring zu steigen, wohl wissend, dass nicht nur wir, sondern auch unser Gegner ernsthaften Schaden nehmen würde. ... Indem wir uns vorbereiten und unsere militärischen Fähigkeitenzur Schau stellen, stemmen wir uns gegen die Kriegsszenarien. Die Wahrheit ist, dass ein möglicher griechisch-türkischer Krieg beide Länder um 50 Jahre zurückwerfen würde.“
EU kann nicht ohne die Türkei
Die EU sollte Griechenland die aktuellen Machtverhältnisse erklären, meint Milliyet:
„Die EU sollte die Situation beobachten und mit Bedacht handeln und Griechenland jetzt bremsen. Zudem scheinen die EU-Länder aufgrund der Probleme mit Russland einen sehr schwierigen Winter zu erwarten. Aber niemand lernt aus den Konflikten und Spannungen. Der größte Prüfstein für die EU wird Griechenland sein. Obwohl die EU nach Alternativen sucht, ist es sehr schwierig, den Gastransport nach Europa ohne die Türkei durchzuführen. Die EU muss mit der Türkei ein Projekt verwirklichen, von dem alle Seiten profitieren. Jetzt muss sie dem verwöhnten Griechenland die Realität aufzeigen. Nur so können Frieden, Wohlstand und Sicherheit in der Region gewährleistet werden.“
Erdoğan Grenzen aufzeigen
Kathimerini kritisiert Haltung der westlichen Partner gegenüber der Türkei:
„Sie glauben, dass sie Präsident Erdoğan mit Schmeicheleien und Samthandschuhen davon abhalten können, in der Ägäis oder im östlichen Mittelmeer extreme Aktionen zu unternehmen. ... Sie bevorzugen den sanften Ansatz in der Hoffnung, dass er nicht wütend wird und etwas Unvernünftiges tut. ... Die Erfahrung zeigt, dass nur klare Worte und praktische Abschreckung größere Zwischenfälle durch internationale autoritäre Agitatoren verhindern. ... Es ist ein Fehler, wenn man glaubt, jemanden zu beruhigen, der aus seinen Absichten keinen Hehl macht. Und wenn man auf eine 'fatale Nacht' in der Ägäis wartet, um dies zu tun, wird es zu spät sein - auch für westliche Interessen.“
In der Ägäis steigt die Kriegsgefahr
Dass es auf beiden Seiten Änderungen gibt, die eine militärische Auseinandersetzung wahrscheinlicher machen, warnt T24:
„Man kann die Spannungen in der Ägäis natürlich als Fallen lesen, die Athen der Türkei gestellt hat, um Griechenland in den Fokus zu rücken. Doch das ist nicht ausreichend. ... Unterdessen hängen die Spannungen in der Ägäis eng damit zusammen, dass die technologische Überlegenheit der Luftwaffe an Griechenland übergegangen ist oder übergeht. ... Es lohnt zudem noch einen weiteren Punkt zu beachten: Sollten die türkischen Machthaber zur Überzeugung gelangen, dass die nächsten Wahlen ihnen den Machterhalt verwehren, könnte man [durch eine Auseinandersetzung] einen Vorwand suchen, die Wahlen zu annullieren.“
Erdoğan bahnt sich den Weg in Richtung Osten
Der türkische Präsident macht eine außenpolitische Kehrtwende, beobachtet Protagon:
„Die aggressive Rhetorik des türkischen Präsidenten lässt sich aus einer doppelten Perspektive betrachten. Erstens ist sie durch einen schwierigen Wahlkampf bedingt. Gleichzeitig hat er jedoch ein tief verwurzeltes Gefühl, dass sich der Westen in einer Phase des Niedergangs befindet, und sucht nach einer Gelegenheit, bei der er sich offen für das 'aufsteigende' Lager des Ostens aussprechen kann. … Im Moment ist Erdoğans Zugewandtheit in Bezug auf die wirklich mächtige Kraft des Ostens, China, eher begrenzt. Seine zunehmend offene und öffentliche Haltung gegenüber Russland ist jedoch bezeichnend für seine allgemeine Überzeugung.“