USA: Wie geht es nach Absetzung von McCarthy weiter?

Nach der Abwahl des Sprechers des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy ist die Kongresskammer nun blockiert. Der reguläre Haushalt für die Regierung kann erst verabschiedet werden, wenn ein neuer Vorsitzender gewählt ist. McCarthy will nicht wieder antreten, stattdessen wird über Ex-Präsident Donald Trump als Nachfolger spekuliert. Kommentatoren zeigen sich beunruhigt.

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Ilta-Sanomat (FI) /

Hauptsache Chaos

Wer die Verwaltung lahmlegt, bekommt das selbst zu spüren, merkt Ilta-Sanomat an:

„Man bekommt, was man bestellt. Das Sprichwort trifft perfekt auf die Situation zu, in der das US-Repräsentantenhaus ohne Sprecher und in völligem Chaos ist. Genau das hat der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz versprochen. Er werde den 'Sumpf' in Washington trockenlegen, also die politische Elite aufrütteln. Gaetz' Methoden sind Chaos und Spaltung. … Matt Gaetz' Wahlkreis in Florida wird darunter leiden, wenn die Bundesverwaltung aufgrund von Haushaltsstreitigkeiten geschlossen wird. Dort lebt eine große Zahl von Militärveteranen, deren Leistungen vom Staat garantiert werden. Gaetz' Wähler sägen also gleichzeitig an ihren eigenen Ästen. Aber hey, es herrscht Chaos, ganz wie bestellt.“

Berlingske (DK) /

Zusammenarbeit über Gräben hinweg notwendig

Die moderaten Kräfte beider Parteien müssen nun kooperieren, findet Berlingkse:

„In einem hyperpolarisierten politischen Klima wie dem amerikanischen sind einige der Ideen hinter dem Experiment einer großen Koalition sehr sinnvoll. ... Daher sollten die Demokraten nach rechts schauen und sich anbieten, bei der Suche nach einem neuen Sprecher des Repräsentantenhauses zu helfen. Es wird auch Kompromisse für die Linke erfordern. Am offensichtlichsten ist es, mehr Mittel für die Grenzkontrolle zu akzeptieren, als Gegenleistung für die Rettung der Ukraine-Hilfe und der Verhinderung eines Shutdowns.“

Jutarnji list (HR) /

Schockwelle könnte globale Dimensionen erreichen

Die Unordnung könnte sich über die Landesgrenzen ausbreiten, befürchtet Jutarnji list:

„Der Begriff Chaos ist keine Übertreibung, um die Lage der US-Politik nach McCarthys Absetzung zu beschreiben. Das Wort nutzen alle relevanten Medien, aber auch die amerikanischen Politiker selbst. ... Die Washington Post suggeriert gar, die Republikaner könnten den Staat nicht nur zum Shutdown der öffentlichen Dienste führen, sondern an den Rand eines Default, also der Nichtbegleichung der Staatsverschuldung. Sollte das Letztere eintreten, kann man mit planetarem Chaos rechnen.“

Le Temps (CH) /

Von der Schwächung des Parlaments profitiert Trump

Trump weiß von der republikanischen Zersplitterung zu profitieren, beobachtet Le Temps:

„Nachdem er in die Glut geblasen hat, gibt Donald Trump nun vor, sich über den internen Krieg der Republikaner zu sorgen. In Wirklichkeit ist er jedoch der Chef der pyromanen Feuerwehr, der sich als Retter vor dem Chaos inszeniert. Er macht immer weniger einen Hehl daraus, dass er, wenn er in das Weiße Haus zurückkehrt, die Macht des Präsidenten stärken wird. Bei diesem beunruhigenden Vorhaben ist die Schwächung des Kongresses, der eine wichtige Gegenmacht darstellt, keine so schlechte Nachricht für ihn.“

Ostap Jarisch (UA) /

Unterstützung für Kyjiw liegt auf Eis

McCarthys Absetzung hat für die Ukraine erhebliche Bedeutung, meint Ostap Jarisch vom ukrainischen Dienst von Voice of America auf seiner Facebook-Seite:

„Was bedeutet das für die Ukraine? Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Prüfung neuer Finanzmittel für Kyjiw auf unbestimmte Zeit verschoben. Nun muss das Repräsentantenhaus einen neuen Sprecher wählen. Bis dahin werden die Abgeordneten nicht über andere dringende Themen abstimmen können. Wird die Unterstützung für die Ukraine davon abhängen, wer zum neuen Sprecher gewählt wird? Ja. Der Sprecher legt die Prioritäten für die Gesetzgebung fest, entscheidet, welche Abstimmungen eingebracht werden und welche Politik im Allgemeinen verfolgt werden soll.“

Yeni Şafak (TR) /

Es geht um Kontrolle

Der rechte Flügel wird wohl mit seinen Intentionen scheitern, will aber wenigstens signalisieren, dass er die Kontrolle über die Partei hat, meint Yeni Şafak:

„In den nächsten anderthalb Monaten werden die Verhandlungen zur Verabschiedung eines Haushalts fortgesetzt, und es wird wahrscheinlich nicht möglich sein, bis zur letzten Minute einen Kompromiss zu erzielen. Gaetz, der relativ früh gehandelt hat, indem er das Ende dieses Prozesses nicht abwartete, wird wahrscheinlich scheitern. Es ist jedoch klar, dass einige Mitglieder des rechtsextremen Flügels der Partei die Agenda der Partei kontrollieren wollen, indem sie McCarthy die Botschaft vermittelten: 'Entweder bist du auf unserer Seite oder du bist ein Verräter.'“

La Repubblica (IT) /

Der helle Wahnsinn

Von Brudermord spricht La Repubblica:

„Die USA haben keinen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem sie das Haushaltsgesetz zur Finanzierung der Regierung verabschieden sollten, einschließlich der Militärhilfe für die Ukraine in der entscheidenden Phase der Gegenoffensive - weil eine kleine Minderheit extremistischer und trumpistischer republikanischer Abgeordneter gestern dafür gestimmt hat, den Sprecher ihrer eigenen Partei abzusetzen. ... Ein brudermörderischer interner Kampf, der zeigt, wie die Dominanz des ehemaligen Präsidenten und neuen Kandidaten für das Weiße Haus nicht nur Amerika, sondern auch die eigenen Reihen spaltet. ... Der Wahnsinn, der die einst von Lincoln geführte Partei erfasst hat, ebnet Autokraten wie Putin und Xi den Weg.“

De Volkskrant (NL) /

Systematische Sabotage

Die Ultras stiften wieder Chaos, meint De Volkskrant:

„Durch die Abwahl des Vorsitzenden bricht im Repräsentantenhaus erneut ein Führungskampf aus. McCarthy brauchte im Januar bereits bespiellose 15 Wahlrunden, um sein Amt zu erwerben: Ein Beispiel für die Spaltung innerhalb der Republikanischen Partei und die Bereitschaft der Radikal-Rechten, das politische Tagesgeschäft offen zu sabotieren. Donald Trump feuerte sie in den vergangenen Wochen noch an: 'Unless you get everything, shut it down!', forderte er. Am Dienstag tat er in den sozialen Medien dann so, als wäre nichts geschehen. 'Warum kämpfen Republikaner immer gegen einander?', fragte er rhetorisch. 'Warum kämpfen sie nicht gegen die radikalen linken Demokraten, die dabei sind, unser Land zu verwüsten?'“

De Standaard (BE) /

Es geht nur um Profilierung

De Standaard zeigt die Widersprüche in der Politik von Gaetz auf:

„Die Republikaner sind traditionell für niedrige Steuern und einen kleinen Staatsapparat. Aber Gaetz hält seinen Wählern gerne vor, dass seine eigenen Republikaner fast genauso verschwenderisch sind wie die vermaledeiten Demokraten. ... Die Ironie ist, dass Gaetz sich so über das aus dem Ruder gelaufene Staatsdefizit empört, obwohl genau das während der Präsidentschaft von Donald Trump am schnellsten gestiegen ist. Dennoch stimmte Gaetz im Januar ausgerechnet für Trump als Sprecher. ... Das zeigt, wie wenig es Gaetz wirklich um schlüssige Bilanzen und wie sehr es ihm in Wahrheit um Sabotage und eigene Profilierung geht.“