Großbritannien will Jugend vom Rauchen abhalten

Das britische Unterhaus hat am Dienstag mit 383 zu 67 Stimmen für einen Gesetzentwurf gestimmt, der es künftigen Generationen verbieten soll, Tabakprodukte zu kaufen. Das Mindestalter für den Kauf soll schrittweise angehoben werden, sodass er für nach 2009 geborene Personen dauerhaft illegal wird. Die Vorlage hat die Debatte über den 'Nanny State' wieder angeheizt: Wie stark darf ein Staat in das Leben seiner Bürger eingreifen?

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The Independent (GB) /

Das geht zu weit

The Independent prophezeit absurde Zustände:

„Es gibt Anzeichen dafür, dass Zigaretten bei jungen Menschen wieder zunehmend in Mode kommen, nachdem sie lange Zeit als uncool galten. Deshalb sollte man durchaus den Preis weiter erhöhen. ... Aber ein absolutes Verbot? Das geht zu weit ... Der Plan für ein jährlich steigendes Mindestalter hätte merkwürdige Folgen. Er würde eine willkürliche Unterteilung der Erwachsenen zwischen denen, die Tabak kaufen dürfen, und denen, die es nicht dürfen, mit sich bringen. Die Vorstellung, dass ein 41-Jähriger einen 42-Jährigen bittet, für ihn Zigaretten zu kaufen, ist mehr als seltsam. Der Grund dafür ist, dass es gegen den allgemeinen Grundsatz verstößt, dass alle Erwachsenen gleich behandelt werden sollten.“

La Stampa (IT) /

Nur ein Boom für den Schwarzmarkt?

Die Maßnahme erinnert an die Prohibition in den Vereinigten Staaten, wirft La Stampa ein:

„Im Jahr 1919 wurde eine Verfassungsänderung verabschiedet, um die Herstellung, den Verkauf, die Einfuhr und den Transport von Alkohol zu verbieten. Die Folge war ein Boom des Schwarzmarktes und Schmuggels mit einer enormen Ausweitung der Macht der Gangster. ... Die Situation wurde unhaltbar und 1933 der Alkohol wieder für den legalen Markt zugelassen. ... Der Zweifel an dem neuen britischen Gesetz ist genau dieser: Wird es wirksam sein oder wird es nur den Schwarzmarkt und den Schmuggel fördern?“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Weniger Freiheit bitte

Endlich wird klar, worum es beim Brexit wirklich ging, spöttelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Es stimmt gar nicht, dass die Briten weniger Regulierung wollten. Sie wollen mehr! Hätten sie das mal gleich gesagt, dann hätte man sich den ganzen Zirkus mit Referendum, Austrittsvertrag, Nordirlandprotokoll und neuen Abkommen über die bilateralen Beziehungen sparen können. Wenn es nur darum ging, Churchills Zigarre für alle Ewigkeit auszudrücken, dann hätte sich dafür sicher auch im Brüsseler Rat ein gesetzlicher Aschenbecher gefunden. Oder soll mit dem Rexit endlich der NHS [National Health Service] entlastet werden, da die Millionen auf Johnsons Bus nicht geflossen sind? Freiheit, so lernen wir, heißt im Königreich, dass man sie selbst beschneidet.“

The Spectator (GB) /

Zwang bringt gar nichts

Das ist ein schwerer Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit der Bürger, argumentiert The Spectator:

„Die Verteidigung von Freiheit bedeutet oft, auch Entscheidungen zu verteidigen, die man für sich selbst nicht treffen würde und von denen man nicht möchte, dass andere sie treffen. Das Recht zu beleidigen, zu trinken, schlecht zu essen, zu rauchen – all das muss in einer freien Gesellschaft verteidigt werden. ... Die Raucherquoten sind auch ohne ein generationenbezogenes Verbot stark zurückgegangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder überhaupt Zigaretten probieren, ist geringer denn je. Das Verschwinden des Rauchens war auf dem besten Weg, eine Erfolgsgeschichte zu werden: bis die Regierung beschloss, die Grundsätze der persönlichen Freiheit zu zerstören.“

The Times (GB) /

Sucht versklavt die Menschen

Für The Times ist ein solches Freiheitsverständnis zynisch und falsch:

„Niemand, der sich die Schäden ansieht, die der Menschheit durchs Rauchen zugefügt wurden, seit es in den frühen 1950er Jahren von britischen Wissenschaftlern erstmals mit Lungenkrebs in Verbindung gebracht wurde, kann zu einem anderen Schluss kommen. Nikotinsucht lässt keine Wahlfreiheit, es sei denn, man versucht, sich von ihr zu befreien – ein schwieriger und oft erfolgloser Prozess. Diejenigen, die die Freiheit des Individuums als Argument vorbringen, damit Bürger sich – und andere in ihrer Umgebung – durch das Einatmen von Tabak zu Tode vergiften dürfen, könnten dieses Argument genauso gut für Heroin anführen. Regierungen verbieten alle möglichen tödlichen Dinge. ... Rauchen ist Versklavung, nicht Freiheit“

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