Finnland: Journalismus als Landesverrat

Im Januar 2023 wurden Tuomo Pietiläinen und Laura Halminen, Journalisten der auflagenstärksten finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat, wegen der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen verurteilt. Sie hatten Ende 2017 einen umfangreichen Artikel über militärische Aufklärung verfasst. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass sie dabei teilweise aus älteren, als geheim eingestuften Dokumenten zitiert hätten. Obwohl diese – auch nach Auffassung des Gerichts – nicht mehr sicherheitsrelevant waren, kam es zum Schuldspruch. Helsingin Sanomat beharrte darauf, dass alle verwendeten Informationen öffentlich zugänglich gewesen seien. Auch sei die Veröffentlichung im öffentlichen Interesse gewesen, so die Journalisten, da zu dieser Zeit eine Debatte darüber geführt wurde, die Nachrichtendienste mit umfangreichen Vollmachten auszustatten. Die Journalisten haben Berufung eingelegt.

Helsingin-Sanomat-Chefredakteur Kaius Niemi wartet auf seine Anhörung im Prozess gegen zwei Redakteure der Zeitung wegen angeblichem Verrat von Staatsgeheimnissen. (© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Markku Ulander)
Helsingin-Sanomat-Chefredakteur Kaius Niemi wartet auf seine Anhörung im Prozess gegen zwei Redakteure der Zeitung wegen angeblichem Verrat von Staatsgeheimnissen. (© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Markku Ulander)
Das Verfahren erregte landesweit großes Aufsehen und wurde auch von Reporter ohne Grenzen wiederholt kritisiert. Besonders kurios erschien Beobachtern der Anklagepunkt, die Journalisten hätten die Veröffentlichung weiterer Staatsgeheimnisse geplant, das heißt, selbst die nicht veröffentlichten Artikel wurden in die Anklage aufgenommen. Von diesem Anklagepunkt wurden die Journalisten freigesprochen. Pietiläinen wurde zu einem Bußgeld verurteilt, Halminen, deren Rolle beim Verfassen des Artikels das Gericht als gering bewertete, kam ohne Bußgeld davon. Ein dritter Journalist wurde freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte für die Journalisten eine 18-monatige Bewährungsstrafe gefordert.

Reporter ohne Grenzen hält das Urteil für einen gefährlichen Präzedenzfall: „Wenn ein Land, das an der Spitze des Pressefreiheits-Index steht, Journalisten vor Gericht stellt, weil sie über Fragen der nationalen Sicherheit berichten, welches Signal sendet dies an die Länder weiter unten im Ranking?“

Rundfunkanstalt Yle bekommt Gegenwind

Auch der finnischen Rundfunkanstalt Yle könnten unruhige Zeiten bevorstehen. Im Wahlkampf zur Parlamentswahl Anfang April 2023 hatten mehrere Parteien eine Kürzung des Yle-Budgets gefordert – und im selben Atemzug auf die hohe Staatsverschuldung hingewiesen, die einen strikten Sparkurs nötig mache. Finanziert wird Yle durch eine zweckgebundene Steuer, daher ist noch unklar, wie die Einsparungen umgesetzt werden sollen.

Bereits Anfang 2021 kritisierte der Dachverband der Medienindustrie die freie Verfügbarkeit von textbasierten Artikeln auf der Yle-Website, mit denen der öffentlich finanzierte Rundfunk den Printmedien Konkurrenz machen würde. Seit März muss Yle textbasierte Nachrichten nun auch mit tatsächlich realisierten Videobeiträgen verknüpfen.

Gleichzeitig hat der Sanoma-Konzern, der nicht nur Finnlands führende Tageszeitung Helsingin Sanomat herausgibt, sondern zu dem auch ein Fernsehsender und ein Schulbuchverlag gehören, eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Sanoma stößt sich an dem umfangreichen Streaming-Angebot von Yle sowie den auf einer eigenen Yle-Website angebotenen kostenlosen digitalen Lernmaterialien. All dies gehöre nicht in das Aufgabengebiet einer öffentlich finanzierten Rundfunkanstalt, argumentiert Sanoma. Das Verfahren könnte sich noch über Jahre hinziehen.

Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
5 (2024)

Zuletzt aktualisiert: August 2024
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