Italien: Dutzende Journalisten unter Polizeischutz

Politische und wirtschaftliche Interessengruppen sowie die organisierte Kriminalität beeinflussen die italienische Medienlandschaft nachhaltig, die von Medienkonzentration geprägt ist.

Der Journalist Roberto Saviano steht seit 2006 unter Polizeischutz und muss jeden zweiten Tag seinen Aufenthaltsort wechseln.
Der Journalist Roberto Saviano steht seit 2006 unter Polizeischutz und muss jeden zweiten Tag seinen Aufenthaltsort wechseln.
In Italien sind etwa zwei Dutzend Journalisten unter ständigem Polizeischutz. Nicht nur die Mafia arbeitet mit massiven Einschüchterungsmethoden, vor denen Journalisten, wie der Bestsellerautor Roberto Saviano, geschützt werden müssen. Auch rechtsradikale Gruppen haben seit 2017 mit Gewalt versucht, freie Berichterstattung zu unterbinden. Zu den bedrohten Journalisten gehören auch Paolo Berizzi von La Repubblica und Nello Svaco von Avvenire.

Auch die Zahl der Einschüchterungsversuche über soziale Netzwerke nimmt zu. Einen leichten Rückgang verzeichnet hingegen die Einschränkung der Pressefreiheit seitens der Politik. Vor allem die Attacken der Protestbewegung Cinque Stelle sind - seit die Bewegung Seniorpartner der Regierungskoalition ist - zurückgegangen.

Berlusconis Erbe wiegt noch immer schwer

Doch nach wie vor ist die Pressefreiheit Opfer der Medienpolitik des Ex-Premiers Silvio Berlusconi. Das Konzerngeflecht, das er seit den 1980er Jahren aufgebaut hat, bedroht den Medienpluralismus noch immer. Zu seinem Imperium zählen unter anderem das größte Verlagshaus des Landes sowie die drei größten privaten Fernsehsender, die rund 60 Prozent aller Werbeinvestitionen auf dem italienischen Markt abschöpfen.

2010 rechnete die internationale NGO Freedom House Italien erstmals zu den Ländern, in denen die Presse nicht mehr "frei", sondern nur noch "bedingt frei" ist. Das Institut bemängelte zum einen die Monopolstellung weniger Medienunternehmen und zum anderen die Tendenz, die Pressefreiheit politisch einzuschränken.

Interessant ist auch die Einschätzung von Freedom House zur Internetfreiheit im Land: "Italien hinkt hinter einigen seiner Konkurrenten aus der EU hinterher, was den allgemeinen Zugang zum Internet angeht, obwohl verschiedene Versuche unternommen wurden, die digitale Kluft zu schließen. ... Desinformation und die allgemeine Belastung der digitalen Medienlandschaft Italiens haben seit Anfang 2018 nachgelassen. Jedoch ist das Phänomen der Online-Hassrede unvermindert weit verbreitet. Außerdem gab es im Berichtszeitraum (Juni 2018 bis Mai 2019) einen deutlichen Anstieg der Cyberangriffe, von denen viele darauf abzielten, die Politik des Landes zu behindern."

Fusionen und Übernahmen sind ein Dauerthema

Besonders in den vier Amtszeiten von Berlusconi als Premier wurden Veränderungen der Gesetze zu Lasten der Pressefreiheit eingeleitet. Eine Folge war 2012 die Verschärfung des Diffamierungsgesetzes. Das Gesetz erlaubt es den Gerichten, Journalisten, die abgehörte Gespräche veröffentlichen, mit bis zu vier Jahren Gefängnis zu bestrafen. Es wurde Ende 2017 verabschiedet und ist seit dem 26. Januar 2018 rechtskräftig. Seither müssen "irrelevante Auszüge, die nichts mit der Erforschung des Sachverhalts beziehungsweise der mutmaßlichen Straftat zu tun haben, vernichtet werden.“ Das Problem ist aber, wer darüber entscheidet, was relevant ist und was nicht. Die Presse wird dies nun nicht mehr entscheiden können.

Die Übernahme und Fusion von Medienunternehmen ist ein Dauerthema in Italien. So tobt seit Jahren der Machtkampf um Italiens größtes Blatt, die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera. Seit Juli 2016 besitzt der Medienunternehmer und Berlusconi-Schützling Urbano Cairo über die Hälfte der Aktien der Verlagsgruppe RCS, zu der neben Corriere della Sera auch die größte Sportzeitung Corriere dello Sport, Boulevardblätter sowie Männermagazine, Koch-, Garten-, Reisehefte gehören.

Zwei weitere große italienische Verlagshäuser, Gruppo editoriale L’Espresso und Editrice Italiana (Itedi), haben im April 2017 fusioniert. Das neue Medienhaus, Gedi - eine der größten italienischen Verlagsgruppen - gibt einige der wichtigsten Tageszeitungen Italiens wie La Repubblica und La Stampa heraus. Im April 2020 übernahm die niederländische Investmentgesellschaft Exor weitere Anteile und hält damit über die Hälfte der Anteile des Verlagshauses Gedi. Exor, das mehrheitlich der Unternehmerfamilie Agnelli gehört, ist unter anderem größter Aktionär des Autobauers Fiat Chrysler und der britischen The Economist Group. Die neuen Besitzverhältnisse hatten umgehende personelle Veränderungen an der Spitze einiger Medien von Gedi zur Folge.

Die Printauflagen der italienischen Zeitungen gingen in den vergangenen zehn Jahren um gut ein Drittel zurück. Die meisten Zeitungen versuchen, mit Online-Bezahlmodellen die Verluste aufzufangen. Dabei kommt ihnen zugute, dass die Kommentarkultur in Italien eine große Tradition besitzt. In den Medien wird viel und ausgiebig kommentiert, je blumiger, desto besser. Das Internet hat diese Tradition neu aufleben lassen, es gibt Blogs wie Sand am Meer, getwittert wird viel und gerne.

Die bevorzugte Bühne der Kommentatoren ist allerdings weiter das Fernsehen, das die Medienlandschaft komplett beherrscht. Neben dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Berlusconis Mediaset hat sich als dritter Spieler der private Sender La7 profiliert, der seit 2013 im Besitz des Verlegers Urbano Cairo ist.

Ranglisten der Pressefreiheit: Reporter ohne Grenzen: Platz 41 (2020)

Stand: April 2020

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