(© picture alliance/photothek/Florian Gaertner)

  Wohnungspolitik

  18 Debatten

Freie und günstige Wohnungen fehlen in ganz Europa, aber in Spanien ist die Lage besonders fatal: Nach Berechnungen der Bank von Spanien werden pro Jahr 600.000 neue Wohnungen benötigt, um die Nachfrage zu decken, aber nur 90.000 gebaut. Und die Immobilienpreise sind seit 2015 um 42 Prozent gestiegen - fast doppelt so stark wie die Löhne. Wie könnte das Land die Wohnungskrise meistern?

Barcelonas Bürgermeister Jaume Collboni hat angekündigt, alle Lizenzen für Touristenwohnungen innerhalb von fünf Jahren auslaufen zu lassen. Damit will er die Wohnungsnot in der Stadt mildern und die Verschlechterung der Lebensqualität in den Wohnvierteln stoppen. Die Reaktion in Europas Presse zeigt, dass das Thema Übertourismus viele beschäftigt.

Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hat ein Gesetz zur Bekämpfung der Wohnungsnot blockiert. Er bemängelt, dass Vorschläge der Opposition nicht ernsthaft debattiert worden seien. Das Veto zwingt die mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialisten, das Gesetz erneut vors Parlament bringen, nicht aber zu Änderungen. Doch die Landespresse fände es gut, noch einmal über die Vorlage nachzudenken.

Portugals Regierung hat weitreichende Maßnahmen präsentiert, um die Krise auf dem Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen. Ein Vergabestopp bei Lizenzen für Ferienwohnungen und Strafen, wenn leerstehende Wohnungen nicht vermietet werden, gehören dazu. Kommentatoren kritisieren die Einwände wirtschaftsliberaler und konservativer Stimmen gegen so viel staatliche Lenkung als zu pauschal.

Steigende Mieten und fehlender Wohnraum waren in Europa vor allem in den Städten schon vor der Pandemie ein Problem. Nun haben Krieg, Inflation, hohe Energie- und Baukosten das Problem weiter verschärft. In Europas Kommentarspalten analysiert man die Lage und debattiert, was jetzt nötig ist.

Rund 8.000 Bürgerinnen und Bürger haben am Sonntag in Rotterdam gegen die Wohnungsnot demonstriert. Auch in anderen Städten war es zuvor zu Protesten gekommen, weil der Mangel an bezahlbaren Wohnungen für viele Menschen zum Problem wird. Dies kann nicht allein durch zukünftige Baupläne gelöst werden, stellen Kommentatoren fest.

Die dänische Regierung plant, bis 2035 rund 22.000 Sozialwohnungen zu bauen. Damit wollen die in Minderheit regierenden Sozialdemokraten sicherstellen, dass Wohnen auch in teuren Städten wie Kopenhagen für jedermann erschwinglich bleibt. Die Landespresse kritisiert die Pläne aus unterschiedlichen Gründen.

Die spanische Links-Regierung von Sozialisten und Unidas Podemos hat einen Gesetzentwurf zur Regulierung des Wohnungsmarktes vorgestellt. Vorgesehen ist unter anderem eine Mietpreisbremse für Ballungsräume und für Vermieter mit mehr als zehn Wohnungen. Die Umsetzung ist den Rathäusern und Regionen freigestellt. Etliche konservativ regierte Kommunen wie Madrid haben bereits angekündigt, das Gesetz nicht anzuwenden.

Die Mehrheit der Berliner hat am Sonntag für die Vergesellschaftung großer privater Wohnungskonzerne gestimmt. Betroffen sind Unternehmen, wenn sie in der Stadt mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Rechtlich bindend ist das Votum aber nicht. Der Volksentscheid beschäftigt auch Europas Presse: Während die einen ihn als realitätsfern abtun, sehen andere darin ein Zeichen der Zeit - nicht nur für Berlin.

Seit dem Semesterbeginn an den türkischen Universitäten Mitte September übernachten Studenten landesweit in Parks, um gegen den Mangel an Wohnheimbetten und die überteuerten Mieten für die verfügbaren Plätze zu protestieren. Die Landespresse erläutert, woher das schon viele Jahre bestehende Problem rührt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel beschäftigt Europas Presse über Deutschland hinaus. Das Berliner Gesetz war im Februar 2020 in Kraft getreten und hatte bestehende Mieten eingefroren. Doch die Gesetzgebungskompetenz dazu lag nach Auffassung Karlsruhes nicht beim Land, sondern beim Bund, der bereits 2015 eine Mietpreisbremse beschlossen hatte.

Rund ein Drittel aller Wohnungen im Stadtzentrum von Lissabon wird über Plattformen wie Airbnb an Touristen vermietet. Das soll sich nach Covid-19 nun ändern, hat Bürgermeister Fernando Medina angekündigt. Er will Vermietern finanzielle Anreize bieten, den Wohnraum denjenigen zur Verfügung zu stellen, die dauerhaft in der Stadt leben und arbeiten. Ist das städteplanerisch die richtige Strategie?

In Berlin werden die Mieten fünf Jahre lang auf dem heutigen Niveau eingefroren. Der sogenannte Mietendeckel, den die rot-rot-grüne Landesregierung in der vergangenen Woche beschloss, ist in Deutschland stark umstritten. In anderen Ländern diskutieren Journalisten, ob man dem Berliner Beispiel folgen sollte.

Wohnungsnot, niedrige Zinsen und Immobilienspekulation lassen in Metropolen und Ballungszentren in Europa die Mieten seit Jahren stark steigen. Vielerorts gehen Menschen gegen diese Entwicklung auf die Straße. In Portugal und Berlin sollen Gesetzesvorhaben den weiteren Anstieg der Mieten bremsen. Kommentatoren sehen die Probleme vor allem auf der Angebotsseite.

Der Gesetzentwurf des Berliner Senats zur Deckelung von Mieten sorgt auch außerhalb der Stadt für Aufruhr. Die Nettokaltmieten sollen demnach maximal 7,97 Euro je Quadratmeter betragen. Wer aktuell mehr zahlt, kann seine Miete auf Antrag verringern lassen. So wird der freie Markt abgewürgt, kritisieren einige Kommentatoren. Andere meinen, dass dieser sowieso nicht funktioniert.

Zehntausende Menschen haben am Samstag in mehreren deutschen Großstädten gegen hohe Mietpreise demonstriert. Gleichzeitig startete in Berlin ein umstrittenes Volksbegehren, das Enteignungen von Immobilienkonzernen fordert. Nicht nur deutsche Kommentatoren beschäftigt die Frage, wie bezahlbarer Wohnraum für alle geschaffen werden kann.

In Bulgarien sind drei Minister aus dem Kabinett von Premier Bojko Borissow zurückgetreten. Sie hatten Luxuswohnungen in Sofia zu Preisen weit unter dem Marktwert gekauft. Die Staatsanwaltschaft prüft die Umstände der Immobiliengeschäfte. Ist die Aufregung nur ein Strohfeuer oder könnte der Skandal der Regierung gefährlich werden?

In vielen Städten Europas klagen Mieter über steigende Preise und fehlenden Wohnraum - die Kehrseite günstiger Ferienimmobilien und der Subventionierung der eigenen Wohnung durch Untervermietung über AirBnB. Das einstige Start-up hat sich längst zu einem milliardenschweren Tourismuskonzern gemausert. Welche Grenzen müssen der Vermittlungsplattform gesetzt werden?