Europawahl: Parlament verhindert EU-weite Listen

Mit klarer Mehrheit haben die EU-Abgeordneten am Mittwoch eine alte Idee erneut abgelehnt. Sie stimmten gegen transnationale Listen für die nächste Europawahl, die es erlaubt hätten, dass beispielsweise ein französischer Wähler für einen polnischen Kandidaten stimmt. Viele Kommentatoren zeigen sich tief enttäuscht.

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Il Sole 24 Ore (IT) /

Verrat an den Bürgern

Das ist Verrat an den Bürgern, schimpft die Brüsseler Korrespondentin von Il Sole 24 Ore, Adriana Cerretelli:

„Wer hätte geglaubt, dass das EU-Parlament, das sich als Wiege und Labor der gemeinschaftlichen Demokratie in Europa, als Stimme und Seele seiner Völker versteht, diese im Namen nationalistischer Interessen und Machtfragen verleugnet? Genau dies ist in Straßburg geschehen. ... [Die transnationalen Listen] hätten dem neuen Zeitgeist entsprochen, für ein politischeres, stärkeres, besser integriertes Europa. Ein Europa der Völker, nicht nur der Elite. ... Nichts zu machen. Ein Parlament, das mehr dem Namen denn den Fakten nach europäisch ist - seit jeher Produkt 27 nationaler Wahlen und auf nationale Fragen konzentriert - hat eine weitere Gelegenheit versäumt, europäisch zu werden.“

Deutschlandfunk (DE) /

Und wieder kein Aufbruch

Und auch der Deutschlandfunk trauert um eine verpasste Gelegenheit:

„Das wäre die Chance gewesen, zumindest das Saatkorn einer europäischen Öffentlichkeit auszusäen. Vor zwanzig Jahren, da hat das Europaparlament genau das schon einmal beschlossen. Die Regierungen der Mitgliedstaaten haben diesen Versuch damals abgeblockt. Heute müssen sie sich nicht einmal mehr damit befassen. Die Mehrheit der heutigen Europaabgeordneten will nichts mehr davon wissen. Und schwadronieren stattdessen über die Angst vor dem europäischen Superstaat. Oder darüber, dass man einem deutschen Wähler keinen spanischen oder dänischen Kandidaten vorsetzen darf. Die Zeiten sind einfach nicht danach. Die Nationalisten und Rechtspopulisten beherrschen die Stammtische, die vermeintlichen Proeuropäer ducken sich weg.“