Frauen-Fußball-WM: Übergriff vor laufenden Kameras

Die Weltmeisterschaft der spanischen Fußballerinnen wird von einem Eklat bei der Siegerehrung überschattet: Luis Rubiales, Präsident des nationalen Fußballverbands, küsste die Spielerin Jenni Hermoso dabei ungefragt auf den Mund. Laut Medienberichten soll der Verband zudem ein relativierendes Statement von Hermoso erfunden haben. Das Urteil der sonst so gespaltenen Landespresse ist diesmal einhellig.

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El Mundo (ES) /

Er hat den spanischen Fußball beschmutzt

El Mundo ist empört:

„Er versteht weder die Bedeutung der Leistung der Weltmeisterinnen noch die Verantwortung, die mit seiner Position verbunden ist. .... Die stellvertretende Regierungschefin, Yolanda Díaz, forderte gestern seinen Rücktritt, 'weil er eine Frau angegriffen hat' und forderte den Verband auf, über sexistische Handlungen künftig Protokoll zu führen. Rubiales hat eine Feier beschmutzt, an der er nur im Hintergrund teilnehmen sollte, um die Protagonistinnen glänzen zu lassen und ihren sozialen Fortschritt zu beklatschen: die gläserne Decke, die sie gerade an ihrem höchsten Punkt durchbrochen hatten. Stattdessen hat er eine jämmerliche Haltung an den Tag gelegt, die ihn weiter diskreditiert und das Image dessen beschädigt, was er repräsentiert: den spanischen Fußball.“

ABC (ES) /

Bitte zurücktreten

Für ABC kann es nur eine Konsequenz geben:

„Mittlerweile ist bekannt, dass Rubiales die Spielerin, der gegenüber er übergriffig geworden war, unter Druck gesetzt hat, seinen kläglichen Entschuldigungsversuch zu unterstützen. Und es gibt eindeutige Beweise dafür, dass er den Verband für seine eigenen Zwecke arbeiten ließ. Selbst der spanische Regierungschef, zu dem Rubiales ein sehr gutes Verhältnis hatte, sagte gestern, dass seine Entschuldigung weder ausreichend noch angemessen ist. Der einzige Ausweg ist ein Rücktritt. Die höchste Autorität eines Vorzeigesports, der von Millionen von Erwachsenen und Kindern mit Leidenschaft verfolgt wird, verlangt ein tadelloses und vorbildliches Verhalten.“

eldiario.es (ES) /

Hoffentlich fällt das Traumtor

Eldiario.es fragt sich, warum die männlichen Profifußballer nichts sagen:

„In diesen Tagen vernehmen wir Empörung und Rücktrittsforderungen. ... Aber es gibt auch Sportjournalisten und Fans die Rubiales entschuldigen: Sie sehen nichts Falsches, sie verstehen nicht, was daran verwerflich sein soll, weil sie in der gleichen Macho-Kultur leben wie er. ... Dazu kommt das ohrenbetäubende Schweigen der Spieler und Trainer im Profifußball der Männer, die anscheinend nichts zu sagen haben. ... Wenn der Druck jetzt zu seinem Rücktritt führen würde, wäre das ein Traumtor. ... Und sicherlich würden viele junge Sportlerinnen, die sich auf Schulhöfen und Bolzplätzen ein Verhalten wie das von Rubiales gefallen lassen müssen, das genauso feiern wie die Weltmeisterschaft.“