Polizeigewalt am Frauentag wühlt Türkei auf

In Istanbul hat die Polizei die friedliche Demonstration zum Internationalen Frauentag am 8. März für Frauenrechte mit Tränengas gestoppt. Kritik an dem Einsatz begegnete Präsident Erdoğan mit der Erklärung, die Demonstrantinnen hätten mit Pfiffen und Rufen versucht, den Gebetsruf zu übertönen. Wird das Land durch die Debatte weiter gespalten?

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Sabah (TR) /

Selbsternannte Schlampen sind respektlos

Kolumnistin Hilâl Kaplan ergreift in der regierungstreuen Tageszeitung Sabah Partei für die Sicht des Präsidenten:

„Insbesondere die Feministinnen der zweiten Generation vertreten mit ihrer Forderung nach 'sexueller Freiheit' die These, dass die Werte, die die Frau zur Heterosexualität und Monogamie verleiten, Produkte des Patriarchats seien und dass die Frau sich umso mehr befreien würde, je aktiver ihr Sexualleben sei. ... Deshalb beleidigen diese Personen, die sich selbst als 'Schlampen' bezeichnen, nicht den Feminismus, sondern leben im Gegenteil genau die Argumente, für die dieser steht. ... Einige wundern sich, dass sich die Personen, die diese Ansichten vertreten, während des Gebetsrufs respektlos verhalten und versucht haben, den Gebetsruf durch Pfiffe zu unterdrücken. Dabei müsste man sich eigentlich wundern, wenn diese Personen dem Gebetsruf Respekt entgegenbrächten.“

Artı Gerçek (TR) /

Das ganze Land verliert

Die Regierung sollte nicht versuchen, die Gesellschaft noch weiter zu spalten, warnt Artı Gerçek:

„Die Regierungspartei geht davon aus, dass der konservative und der laizistisch-demokratische Teil der Gesellschaft untereinander verfeindet sind. ... Wenn hierbei die Absicht ist, den Frauenmarsch in Zukunft zu verhindern und die Frauen mundtot zu machen, wird sie damit keinen Erfolg haben. Wenn das Ziel darin besteht, die Forderung der Frauen nach Freiheit religiösen Empfindsamkeiten gegenüber zu stellen, wird sie auch damit nicht erfolgreich sein. Es nützt keinem, den Gebetsruf oder die Flagge für Lügen zu instrumentalisieren. Im Gegenteil: Die Türkei verliert zu viel mit dieser Politik der Polarisierung.“