Spanien: Korruptionsskandal schwächt Pedro Sánchez
Die linke Regierung von Pedro Sánchez ist von einem neuerlichen Korruptionsskandal erschüttert worden. Der Organisationssekretär der Regierungspartei PSOE, Santos Cerdán, soll bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Schmiergelder erhalten haben. Korruptionsvorwürfe setzen der Regierung schon seit einiger Zeit zu. Betroffen sind unter anderen die Ehefrau von Sánchez und auch sein Bruder. Dennoch schloss der Premier Neuwahlen aus.
Schreckliche Enttäuschung
Die Regierung sollte trotz allem durchhalten, fordert der Jurist Joaquín Urías in Eldiario.es:
„Die Nachrichten, die zeigen, dass Gauner in dieser Regierung Provisionen für öffentliche Aufträge kassierten und in alle Arten von Korruption verwickelt waren, sind ungeheuerlich. ... Sicherlich hat diese Regierung mehr ungerechtfertigte Angriffe von der Rechten erlitten als jede andere. ... Aber sie hat durchgehalten. Auch dank der Unterstützung vieler Demokraten, die an Wahlen glauben. ... Premier Sánchez muss jetzt unsere schreckliche Enttäuschung verstehen. ... Aufzugeben ist die einfachste Lösung [für die Regierung]. ... Zum ersten Mal glaubhaft zu zeigen, dass sie die Korruption bekämpfen und eine echte linke Regierung sein will, ist schwieriger.“
Pauschalurteile sind fehl am Platz
La Vanguardia warnt davor, alle Politiker in einen Topf zu werfen:
„'Hurensohn' oder 'Verräter' sind einige der Botschaften, die sozialistische Minister diese Woche Santos Cerdán privat geschickt haben. Der ehemalige Organisationssekretär der PSOE hat die Glaubwürdigkeit seiner Partei verspielt. ... Die [aufgezeichneten] Gespräche stellen die Ehrlichkeit der Partei in Frage, und damit die der Politiker generell. ... Und das ist falsch. Nicht alle sind gleich. ... Es gibt viele ehrenwerte Politiker, die jahrelang in der Verwaltung gedient, viel Geld in Händen gehalten und keinen einzigen Euro genommen haben. Angesichts der politischen Spannungen und des geringen Ansehens der Politiker ist es einfach, sich dem Lager der Systemgegner anzuschließen. ... Das wäre aber sehr ungerecht.“
Taumelnder Regierungschef will ablenken
Sánchez sollte die Schuld nicht auf andere schieben, kritisiert The Times:
„Das spanische Volk verdient Besseres. ... Sánchez sieht überall Verschwörungen, Tatsache ist jedoch, dass die Ermittler der Polizei und die Justiz gewissenhaft gearbeitet haben. In Wahrheit ist seine Regierungszeit von einer Aneinanderreihung vermeidbarer Fehler geprägt. .... Die lautstarken Schuldzuweisungen von Sánchez erfüllen zwei Funktionen: Einerseits sollen sie von seiner taumelnden Koalition aus Gemäßigten, Linken sowie katalanischen und baskischen Separatisten ablenken, andererseits stellen sie die alternative Allianz aus Konservativen und Vox [Rechtspopulisten] als das wahre Schreckgespenst dar.“