Türkei: Erdoğan will soziale Medien kontrollieren

Der türkische Präsident Erdoğan hat angekündigt, soziale Medien künftig umfassend zu kontrollieren, vielleicht sogar zu schließen. Als Grund nannte er, die Bürger vor Hass, Drohungen und Terrorpropaganda schützen zu wollen. Regierungsgegner fürchten allerdings eine neue Phase der Zensur. Pressestimmen des Landes sind gespalten.

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Cumhuriyet (TR) /

Im Netz hilft kein Tränengas

Diesmal hat sich die Regierung den falschen Gegner ausgesucht, kommentiert Cumhuriyet:

„Es ist keine kluge Methode, neue Probleme aus dem Hut zu zaubern und sogar mit den Teilen der Gesellschaft, die nicht die Verursacher dieser Probleme sind, also mit der Mehrheit, Streit anzuzetteln, anstatt sie anzugehen, wenn es nicht gut läuft. ... Selbst wenn ihre Großväter und Großmütter, ihre Väter und Mütter schweigen (und mittlerweile schweigen auch diese nicht mehr), treten die Kids mit Dislike-Bannern in ihren Händen hervor. Und sie treten dort hervor, wo du nicht einmal Tränengas hinschießen kannst. Der Einsatz von Gummigeschossen funktioniert dort auch nicht. Und mit Schlagstöcken würdest du nur deinen eigenen Bildschirm zertrümmern. “

Yeni Akit (TR) /

Trolle in Panik

Die regierungstreue Yeni Akit glaubt, dass die Opposition nur etwas gegen den Gesetzesentwurf zur Einschränkung der sozialen Medien hat, weil sie ihre Trolle im Netz verliert:

„Wovor habt ihr denn Angst? Warum seid ihr rasend vor Wut? Warum macht ihr euch solche Sorgen, wenn ihr nichts verschuldet habt? Habt ihr Angst, dass die Troll-Agentur der [Oppositionspartei] CHP entlarvt wird? Seid ihr traurig, dass die Tastatur-Terroristen, die ihr finanziert, verstummen werden? Fürchtet ihr, dass diese namenlosen Hochstapler, Provokateure, Vaterlandsverräter demaskiert werden? Seid ihr in Panik, dass die Identität jener Ehrlosen, die versehentlich dieselben Verleumdungen sowohl über ihre offiziellen als auch über ihre Troll-Accounts verbreiten, entlarvt wird?“

Hürriyet (TR) /

Regulierungen gibt es überall

Präsident Erdoğan macht einen wichtigen Punkt, findet die regierungsnahe Hürriyet:

„In den sozialen Medien gibt es organisierte Bösartigkeit. Die Stöcke sind angebunden, die Hunde sind freigelassen. Das muss gemaßregelt werden. Zugleich dürfen diejenigen, die die sozialen Medien richtig nutzen, nicht bestraft werden. Jetzt wird aber so getan, als würden die sozialen Medien geschlossen. Dabei gibt es auch in den USA, in Deutschland, Frankreich, Belgien und England Regulierungen. Gleichzeitig sind die sozialen Medien in diesen Ländern am stärksten aufgestellt. Wenn also die USA und Europa etwas unternehmen, heißt es nicht, dass sie die sozialen Medien schließen, aber wenn die Türkei das tut, dann schon? Dann lassen wir doch einfach zu, dass Neugeborene beleidigt werden [in diesem Fall Erdogans jüngstes Enkelkind, über das auf Twitter gelästert wurde].“

T24 (TR) /

Letztes Aufbäumen vor dem großen Ende

Es wird Erdoğan Kopf und Kragen kosten, dass er immer mehr Kontrolle haben will, glaubt T24:

„Auch wenn es so aussieht, als sei ihre Absicht, Beleidigungen vorzubeugen, wollen sie eigentlich verhindern, dass die Opposition die sozialen Medien als Kommunikationsplattform nutzt. Sie haben ein paar Milliarden Dollar aus der Staatskasse ausgegeben und geglaubt, damit die gesamte Medienlandschaft unter ihre Kontrolle bringen zu können. Was sie damit erreicht haben, ist, dass die Opposition in den sozialen Medien als starke Stimme wiederaufgetaucht ist. Jetzt glauben sie, dieses Problem durch ein Verbot lösen zu können. ... Aber vergesst nicht: Solange die Arbeitslosenzahlen steigen und der Preisanstieg bei den Lebensmitteln die geflunkerten Inflationszahlen verdoppelt, ist euer Ende unvermeidlich.“