Weniger US-Waffen für die Ukraine: Welche Folgen?
Die US-Regierung will offenbar einen Teil bereits zugesagter Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen. Es fände eine umfassende Prüfung statt, welche Waffensysteme ausgesetzt würden, erklärte Pentagon-Sprecher Sean Parnell. Es bestünden aber weiterhin robuste Optionen für die militärische Unterstützung des Landes. Kommentatoren diskutieren Gründe und mögliche Auswirkungen.
Putin wird das Töten erleichtert
Diese Entscheidung werden Menschen mit ihrem Leben bezahlen, warnt das Handelsblatt:
„Denn zu den betroffenen Waffen zählen beispielsweise Patriot-Raketen, die die Ukraine zur Luftverteidigung, vor allem gegen ballistische Raketen, benötigt. ... Luftverteidigung bedeutet, dass die ukrainische Armee diese Waffen abfangen oder abschießen kann, bevor sie Wohnhäuser, Schulen, Apotheken und Krankenhäuser treffen. ... [D]er Ukraine [stehen] immer weniger Waffen zur Abwehr zur Verfügung. Die Konsequenz ist klar: Bei einer schlechteren Luftverteidigung werden noch mehr Zivilistinnen und Zivilisten, alte Menschen und Kinder, grundlos sterben. US-Präsident Donald Trump erleichtert dem russischen Machthaber Wladimir Putin somit das Töten der Ukrainerinnen und Ukrainer.“
US-Präsident als Pokerspieler
Für La Repubblica ist es mehr als fraglich, ob Trumps Schachzug Putin in Richtung Verhandlungen treibt:
„Trumps überraschender Schritt, die Lieferung von Flugabwehrwaffen an Kyjiw auszusetzen, ist ein offensichtlicher Versuch, die Verhandlungen mit Putin wieder aufzunehmen. Wie beim Pokern will Trump seinen Gegner dazu bringen, sein 'Njet' zu überdenken. Und er tut dies ohne Rücksicht auf die Ukraine und die europäischen Verbündeten, denn er betrachtet das Spiel mit Putin als ein Zweierspiel. Doch der Kremlchef scheint den Vorstoß des US-Präsidenten einmal mehr abzulehnen. 'Russland wird seine Ziele in der Ukraine nicht aufgeben', sagt Putin.“
Druckmittel gegen Kyjiw
Trump möchte lieber die Ukraine beeinflussen als Russland, glaubt Ilta-Sanomat:
„Die jetzt angekündigten Unterbrechungen dürften keine entscheidenden Auswirkungen auf die Lage an der Front haben. Allerdings intensiviert Russland seine Angriffe entlang der langen Frontlinie. ... So fällt es leicht, die Entscheidung der USA als Druckmittel zu verstehen, mit dem die Ukraine zu Zugeständnissen gezwungen werden soll. Dies würde eine Waffenruhe und vielleicht sogar den Frieden beschleunigen. Im US-Kongress wird derzeit ein hartes Sanktionspaket gegen Russland vorbereitet. Aber es steht unter Trumps Vorbehalt. Bisher scheint es ihm leichter zu fallen, Einfluss auf die Ukraine auszuüben.“
Das Material wird gegen den Iran gebraucht
Politologe Nikolai Mitrochin meint auf Facebook, die US-Waffen würden für eine neue Attacke gegen Iran umgeleitet:
„Der – laut Washington – vorübergehende Stopp der Lieferung von Raketen für Flugabwehr und Himars an die Ukraine ist ein untrügliches Zeichen für die Konzentration der Rüstungsgüter auf eine andere Richtung – die iranische. Vor ein paar Tagen hat der Iran offiziell die Überwachung durch die IAEO aufgekündigt. Gleichzeitig gab Trump bekannt, dass möglicherweise eine weitere geheime Anlage des iranischen Atomprogramms existiere. Das angereicherte Uran ist versteckt. Die Anlagen sind allen Informationen zufolge nicht hinreichend zerstört, um das Programm aus der Welt zu schaffen. Kurzum, ein zweiter Schlag ist unvermeidlich.“
Trumps politisches Eigentor
Der Lieferstopp bleibt nicht ohne Konsequenzen für Washington, betont Politologe Petro Oleschtschuk in Unian:
„Natürlich sieht eine solche Entscheidung tatsächlich wie ein Druckmittel der USA gegenüber der Ukraine aus. Andererseits ist es ein recht spezielles Instrument, denn gleichzeitig lässt es die USA als unzuverlässigen Partner dastehen, der bereits abgesprochene Lieferungen aus politischen Gründen nicht bereitstellt. ... Deshalb ist dieses ganze Spiel ein zweischneidiges Schwert. Sollten die USA beispielsweise die Lieferung von Raketen für die Patriot-Systeme endgültig einstellen und die Russen vor diesem Hintergrund den Beschuss ukrainischer Städte verstärken, könnte das entsprechende politische Risiken für die Trump-Administration mit sich bringen – rein inneramerikanische.“
Einschmeicheln in Washington bringt nichts
Nun zeigt sich, wie unzuverlässig die USA als Verbündeter sind, stellt Politologe Olexander Krajew in Facebook fest:
„Wir haben ein solides Rohstoffabkommen geschlossen – ausgewogen und unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten. Wir haben begonnen, Trump auf der Ebene der Narrative zu schmeicheln – uns an ihn zu wenden, ihn zu zitieren, darauf hinzuweisen, dass er Recht hat und eine herausragende Rolle spielt. Genau so, wie er es mag. ... Auch der Nato-Gipfel wurde vollständig auf Trump zugeschnitten. Den G7-Gipfel haben wir hingenommen – trotz Trumps infantilen Verhaltens. Und als Ergebnis – das hier. Es scheint, das ist eine sehr gute Lektion für Taiwan, für Israel, für Europa und für all jene, die Trump als ihren 'Partner und Freund' betrachten.“