Kann der Konflikt um Tigray beruhigt werden?

Seit November tobt ein brutaler Bürgerkrieg zwischen der äthiopischen Armee und den Verbänden der Tigrayan Defence Force (TDF) um die Region Tigray. Nun hat die TDF offenbar die Oberhand gewonnen und Äthiopiens Premier Abiy Ahmed einen Waffenstillstand verkündet. Doch die Gewalt ist noch nicht am Ende, fürchten Kommentatoren.

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Gazeta Wyborcza (PL) /

Vermittler dringend gesucht

Gazeta Wyborcza fürchtet, dass weder in Äthiopien, noch im Ausland irgendjemand die Macht hat, den Konflikt zu schlichten:

„Premier Abiy Ahmed hat gelogen: dass der Krieg vorbei ist, dass es keine Verbrechen gibt, dass keine Eritreer involviert und an der Front nur Terroristen sind, mit denen man nicht verhandeln kann. Er hat seine Glaubwürdigkeit verloren. … Bevor es zum Krieg aller gegen alle kommt, wie vor einem Vierteljahrhundert im Kongo, muss jemand vermitteln, vorzugsweise ein angesehener afrikanischer Staatsmann. Aber die Mandela-Ära ist längst vorbei.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Ende des Vielvölkerstaats

Auch die Süddeutsche Zeitung bezweifelt, dass der Premier zu einer Lösung beitragen kann:

„[Es] zeichnet sich das Ende des Vielvölkerstaats Äthiopien in seiner jetzigen Form ab. Tigray ist zwar der akuteste, aber nicht der einzige Konfliktherd in dem 110-Millionen-Land, in dem Dutzende verschiedene Bevölkerungsgruppen leben. Immer wieder flammen Unruhen auf, immer wieder geht es um die Verteilung von Macht und Ressourcen. Und auch wenn es anfangs anders ausgesehen hat: Premier Abiy Ahmed ist offenkundig nicht der Mann, der diese komplizierte Gemengelage friedlich lösen kann.“

The Guardian (GB) /

Vom Friedensstifter zum Verbrecher

Dass in Tigray Gewalt und Hunger herrschen, ist vor allem Abiy Ahmed selbst zuzuschreiben, klagt The Guardian:

„Wie sein mörderischer Vorgänger Mengistu Haile Mariam bestreitet Abiy Ahmed rundweg die Hungersnot. ... Wenn der Gerechtigkeit jemals Genüge getan wird, könnten wir eines Tages Zeugen eines bemerkenswerten Schauspiels sein: Ein Friedensnobelpreisträger steht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht. ... Die Katastrophe in Tigray ist in keiner Weise naturgegeben oder unvermeidlich. Abiy Ahmed treibt gemeinsam mit seinen Verbündeten in Eritrea eine zuletzt blühende, wohlhabende Region in ein weiteres historisches Desaster. Und er wird nicht aufhören, bis die Welt aufwacht.“

Der Standard (AT) /

David hat Goliath gefällt

Die äthiopische Armee ist am Widerstand der Bevölkerung in der Region Tigray gescheitert, beobachtet Der Standard:

„Selbst die größte militärische Überlegenheit nützt nichts, wenn eine Besatzungsarmee gegen einen Feind kämpft, der auf die Unterstützung der Bevölkerung setzen kann. ... Jetzt haben sich der offenbar voreilig ausgezeichnete Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed und sein gefährlicher eritreischer Freund Isaias Afwerki eine blutige Nase geholt. Sie meinten, den gemeinsamen Feind unter ihren Militärstiefeln zertreten zu können. Doch Tigrays Davids haben die beiden Goliathe gefällt.“