Post-Office-Skandal schlägt erneut Wellen

Ein TV-Drama zum britischen Post-Office-Skandal, bei dem Hunderte Filialleiter zu Unrecht wegen angeblicher Abrechnungsfehler verurteilt worden waren, hat diesen Justizirrtum wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Viele der aufgrund einer mangelhaften Software Beschuldigten haben einen mühsamen Kampf für Gerechtigkeit hinter sich. Premier Rishi Sunak kündigte nun an, die Betroffenen zügig rehabilitieren und entschädigen zu wollen.

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The Independent (GB) /

Politiker sind keine Richter

Sunaks Ankündigung, die Verurteilungen per Gesetz aufheben zu wollen, findet The Independent problematisch:

„Das Thema ist damit nicht abgeschlossen. Die Wiedergutmachung wird für die Unschuldigen bald Realität, aber selbst dann noch unvollkommen sein. ... Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist dieses Gesetz höchst bedenklich. Das Parlament sollte nicht in der Lage sein dürfen, ein Gesetz zu verabschieden, das Verurteilungen aufhebt. Das stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar. ... Aus offensichtlichen Gründen steht es im Widerspruch zum Prinzip der Verfassung, wenn Politiker Richter überstimmen können. In Wahrheit hätten wir niemals in eine solche Situation geraten dürfen, die jetzt eine so unbefriedigende Lösung erfordert.“

Financial Times (GB) /

Vertrauen wiederherstellen

Die schnelle Aufarbeitung ist für die Financial Times zentral:

„Die Argumente für eine 'Massenamnestie' sind überwältigend stark. Sie könnte bedeuten, dass einige der wirklich Schuldigen unter den Verurteilten freigesprochen würden. Aber diese Personen wurden schon genug gestraft und es wäre ein kleiner Justizirrtum im Vergleich zu dem enormen Unrecht, das den unschuldigen Opfern angetan wurde. ... Das durch den Skandal verursachte menschliche Leid hat das Vertrauen der Bürger, dass die Gerichte und Behörden sie vor Missbrauch schützen, erschüttert. ... Die Beschleunigung von Wiedergutmachungsmaßnahmen ist unerlässlich, um dieses Vertrauen wiederherzustellen.“

The Irish Times (IE) /

Blinder Technologie-Glaube ist ein Fehler

Man kann nur hoffen, dass Regierungen und große Unternehmen aus dem Skandal lernen, meint The Irish Times:

„Der Skandal wirft wichtige Fragen zur Verantwortungslosigkeit von Postmanagern auf, die loyale Mitarbeiter wie Kriminelle behandelten und sich weigerten, die Zuverlässigkeit der Software Horizon in Frage zu stellen, selbst noch, als die Fallzahlen auf absurde Weise stiegen. Die japanische IT-Firma Fujitsi bleibt noch schuldig, Rechenschaft abzulegen. Und das Fehlen von administrativer und politischer Kontrolle ist als außerordentlich einzustufen. Im Zeitalter der Automatisierung und des Vormarschs von KI müssen Regierungen und große Organisationen wichtige Lehren aus diesem Fall ziehen.“