Will Russland die Grenzen in der Ostsee neu ziehen?

Ein mysteriöser russischer Gesetzentwurf sorgt für Aufsehen: Er wurde am Dienstag in der Datenbank der russischen Regierung veröffentlicht, ist nun aber wieder daraus verschwunden. Darin geht es um die "Bestimmung geografischer Koordinaten" zur Festlegung der russischen Grenzen in verschiedenen Teilen der Ostsee, die - so der Entwurf - ungenau seien. Kommentatoren sind uneins darüber, wie brisant der Fall ist.

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Krym.Realii (UA) /

Schmaler Grat zwischen hybridem und echtem Krieg

Krym.Realii sieht großes Gefahrenpotential:

„Eine Veränderung von Seegrenzen im Baltikum wäre im Grunde eine Fortsetzung der Destabilisierung der Grenzen mit Hilfe von Migranten. … Warum jetzt nicht prüfen, wie Finnland und Litauen auf eine Verschiebung der Seegrenzen reagieren würden? Das ist ein sehr gefährlicher Weg - ein schmaler Grat, der den 'hybriden Krieg' von einem echten trennt. Doch Russland geht diesen Weg bewusst und rechnet damit, dass die westlichen Länder Angst vor einem offenen Konflikt bekommen. ... Die Erfahrung der Ukraine beweist allerdings, dass sich die russische Aggression nie mit 'hybrider Kriegsführung' und Seegrenzen begnügt.“

Postimees (EE) /

Denkt nicht einmal an die Ostsee als Nato-Binnenmeer!

Für Postimees ist klar, was die russische Strategie ist:

„Wenn Russland von 'veränderten geografischen Umständen' spricht, meint es nicht die Bewegung der Kontinentalschelfe, die im Laufe der Jahrmillionen unweigerlich die natürlichen Grenzverläufe umgestalten. Was Russland meint, ist die Geopolitik und die Rückkehr zu den seit Langem bestehenden internationalen Einfluss- und Interessensphären, oder zumindest ist das die Verlagerung vom Völkerrecht hin zu den Einflusssphären, die es sich wünscht. Wir breiten uns in der Ostsee aus - denkt nicht einmal daran, dass sie das Binnenmeer der Nato sein könnte!“

Aamulehti (FI) /

Kühlen Kopf bewahren

Aamulehti warnt vor übereilten Reaktionen:

„Wichtiger ist es, hinter den Medienzirkus zu blicken und zu versuchen, die wahren Absichten Russlands zu erkennen. Es ist nicht das erste Mal, dass Russland die Grenzen auf der Landkarte neu ziehen will. Natürlich muss eine einseitige Erklärung über Grenzänderungen immer ernst genommen werden, aber im schlimmsten Fall könnte eine vorschnelle Reaktion Russland in die Hände spielen. Finnland, Litauen und die Nato müssen jetzt zusammenstehen, zurückhaltend, aber entschlossen, ohne Gerüchte zu schüren. Für Alleingänge und Verschwörungstheorien ist kein Platz.“