Slowakei: Prozessauftakt gegen Fico-Attentäter
Mehr als ein Jahr nach dem Attentat auf den slowakischen Premier Robert Fico hat am Dienstag der Prozess gegen den mutmaßlichen Angreifer begonnen. Fico war im Mai 2024 nach einer Regierungssitzung angeschossen und schwer verletzt worden. Der angeklagte 72-jährige Rentner gestand die Schüsse, wies jedoch den Vorwurf einer Tötungsabsicht zurück. Kommentatoren beleuchten den politischen Kontext.
Verschwörungstheorien könnten entkräftet werden
Reflex hofft auf eine transparente Aufarbeitung des Geschehens:
„Die Akte umfasst über sechstausend Seiten und enthält über hundert Zeugenaussagen. Es besteht eine gute Chance, dass der Wahrheitsgehalt vieler Behauptungen, die bisher hinter einem Schleier von Verschwörungstheorien verborgen blieben, aufgeklärt werden kann. Es ist völlig klar, dass die Aussagen des Gerichts und die vorgelegten Beweise in der Öffentlichkeit verzerrt und unterschiedlich interpretiert werden. Doch wer sich eine eigene Meinung bilden möchte, hat nun die Möglichkeit dazu.“
Chance auf Versöhnung wurde vertan
Denník N bedauert, dass der Anschlag vom Regierungslager als Munition gegen die Opposition benutzt wurde:
„Die Situation kurz nach dem 15. Mai letzten Jahres sah gar nicht so schlecht aus. Neben den wenigen Reaktionen wütender Politiker [aus dem Regierungslager] gab es nach der grausamen Tat auch mildere Worte, beispielsweise vom stellvertretenden Vorsitzenden der [Fico-Partei] Smer, Robert Kaliňák. Dass der sich damals statt der Ärzte auch zum Gesundheitszustand des Premierministers äußerte, war zwar seltsam, aber noch akzeptabel. Wesentlich schwerer zu akzeptieren war, dass die Anzeichen einer möglichen Versöhnung plötzlich verschwanden und einer erneuten Konfrontation wichen. Verstärkt durch den Vorwurf, der Attentäter sei ein Werkzeug der Opposition gewesen.“
Opposition hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert
Der Prozess sollte ebenso Politiker aus dem Oppositionslager zum Nachdenken bringen, meint Pravda:
„Obwohl [der Angeklagte] Cintula seine Tat keineswegs leugnet, hinterfragt ein Großteil der Oppositionsanhänger nicht nur die Ermittlungen, sondern hält sie für eine große Verschwörung. Für eine 'Theaterinszenierung' (direkt vom Premierminister geplant). Und analysiert ernsthaft die Verletzungen an Ficos großem Zeh. Tatsächlich erreichte der ganze Humbug um das Attentat ein solches Ausmaß, dass Fico Bilder seines schwer verletzten, genähten Bauches zeigen musste. Wie tief ist unsere Gesellschaft gesunken?“