Niedrige Geburtenraten: Ist das schlimm?

Viele Länder in Europa verzeichnen sinkende Geburtenraten. In Schweden ist sie beispielsweise mit 1,43 Kindern pro Frau im Jahr 2024 so niedrig wie nie zuvor. Die Regierung setzte eine Untersuchungskommission ein, die nach Ursachen forschen soll. Auch Kommentatoren debattieren Gründe sowie grundsätzliche Fragen zur demografischen Lage.

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Göteborgs-Posten (SE) /

Kinder bedeuten Verzicht und Risiko

Göteborgs-Posten erklärt die Veränderungen, die ein Leben mit Familie nach sich zieht:

„Elternschaft ist das genaue Gegenteil von totalem Individualismus. Es bedeutet, dass wir uns von uns selbst und unseren Bedürfnissen verabschieden, um uns um jemand anderen zu kümmern. Als Eltern hören wir auf, im Mittelpunkt zu stehen, wir verzichten auf Wahlmöglichkeiten in einer Zeit, in der es sie im Überfluss gibt. Damit übernehmen wir eine Verantwortung, die ständige Opfer erfordert, deren Lohn, auch in Form von Sinn, nicht garantiert ist und flüchtig sein kann. Wir setzen uns auch dem Risiko des schlimmsten Kummers aus: Krankheit, Unfall oder Tod unserer Kinder.“

Aftonbladet (SE) /

Es geht um sozialpolitische Fragen

Schwedens Sozialminister Jakob Forssmed sollte die Ursachen für den Verzicht auf Kinder eigentlich kennen, urteilt Aftonbladet:

„Anfang Juli wurde der Wohngeldzuschlag für Alleinerziehende gestrichen. Eine Leistungskürzung ist in Planung, die junge Mütter besonders hart treffen wird. ... All das ist unsinnig, wenn mehr Kinder geboren werden sollen. Vielleicht weiß Forssmed nicht, dass Frauen finanziell und karrieretechnisch benachteiligt werden, wenn sie Kinder bekommen. Dass die Gesundheit von Müttern mit kleinen Kindern am schlechtesten ist. Oder vielleicht ist es ihm egal. Aber es kann nicht auf den Schultern junger Mädchen lasten, die Bevölkerungskrise zu lösen. Vor allem, wenn die Regierung es sich zur Aufgabe gemacht hat, Frauen zu bestrafen.“

Kauno diena (LT) /

Die Pessimisten lagen falsch

Litauen hat seit Jahren eine der niedrigsten Geburtenraten in der EU, aber es gibt auch Lichtblicke, erklärt Žygimantas Mauricas, Chefökonom der Bank Luminor Lietuva in Kauno diena:

„Eine Studie der Universität Vilnius aus dem Jahr 2017 prognostizierte, dass 2022 nur noch 2,69 Millionen Menschen in Litauen leben würden. Die UN waren 2019 noch pessimistischer mit 2,59 Millionen 2025. ... Wo stehen wir heute? Nicht 2,59, sondern 2,89 Millionen Menschen! Warum lagen die Prognosen so deutlich daneben? Weil sie die veränderten Migrationstrends nicht berücksichtigten. ... Bemerkenswert ist, dass der Zuwachs nicht nur auf zugezogene Ausländer, sondern auch auf zurückgekehrte Litauer zurückgeht. ... Diese Menschen bringen Wissen, Berufserfahrung, Kapital und vor allem den Wunsch mit, in Litauen zu leben und etwas aufzubauen.“