Was hat IShowSpeed im Baltikum gezeigt?
Für eine Imagekampagne der baltischen Staaten ist der US-amerikanische Influencer IShowSpeed in Lettland, Estland und Litauen aufgetreten. In Riga traf er neben aktiven Politikern auch den Ex-Präsidenten Raimonds Vējonis, mit dem er auf dem Podest der ehrwürdigen Freiheitsstatue herumsprang. Auch in Litauen trat er mit Amtsträgern auf und ließ bei einigen, die nicht zum jungen Zielpublikum gehören, Sinnfragen offen.
Influencer als Werbeträger für Politik
Latvijas Avīze macht sich Gedanken über Influencer und ihren Einfluss in der modernen Welt:
„Der Speed-Auftritt hat gezeigt, dass rege globale Aktivitäten fürs junge Zielpublikum und 40 Millionen Follower eine Kraft sind, mit der auch Politiker allmählich rechnen. ... Politiker versuchen, Leute wie Speed für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren (zum Beispiel, um potenzielle Investitionen und Tourismus anzuziehen). Doch gerade in Lettland hat Speed unsere Beamten den Anforderungen seines Ausdrucksstils völlig unterworfen. Man kann nur dankbar sein, dass sich Ex-Präsident Raimonds Vējonis auf dem Podest des Freiheitsdenkmals nicht auf alle Viere geworfen hat und mit Speed um die Wette bellte.“
Weder das Geld noch die Zeit des Ministers wert
Kauno diena beklagt die Geldverschwendung:
„Man lud den 20-Jährigen ein, damit er ein litauisches T-Shirt überzieht und ein Glas Šaltibarščiai [Rote-Beete-Kaltsuppe] leert. Minister Linas Savickas (eigentlich kein dummer Mann) sprang begeistert hinterher. Es sei Werbung für Litauen, wegen der 40 Millionen Follower. ... Erstens weiß jeder vernünftige Mensch, dass man Suppe nicht aus einem Glas schlürft. Zweitens sahen den Livestream des skurrilen Spektakels gerade einmal 115.000 Fans. Und drittens: Die Zielgruppe besteht überwiegend aus Minderjährigen, also wirtschaftlich inaktiven Menschen mit unklaren Ansichten und wechselhaften Bedürfnissen. Wie man es auch dreht: Der Auftritt war die 30.000 Euro und die Arbeitszeit aller Beteiligten, auch des Ministers, nicht wert.“
Schnelle Klicks statt Tiefgang
Das Spektakel stimmt den Kommunikationsexperten Dainoras Lukas auf Delfi nachdenklich:
„Das Phänomen IShowSpeed zeigt, wie unser heutiges Wertesystem funktioniert. In der modernen Wirtschaft bemisst sich der Wert einer Sache nicht nach ihrer moralischen oder gesellschaftlichen Bedeutung, sondern nach dem generierten Gewinn. Ein Influencer kann mit einem einzigen Video Hunderttausende oder sogar Millionen Follower erreichen. Dieser Aufmerksamkeits-Kick lässt sich leicht in Profit umwandeln – durch Werbung, Partnerschaften oder Produktverkauf. Unser System belohnt Masse statt Tiefe. Während niemand sieht, wie ein Lehrer über zehn Jahre hinweg das Leben von Hunderten von Kindern verändert, bemerkt jeder sofort, wenn jemand einen Ball trifft oder ein lustiges Video postet.“