Korruptionsprozess: Netanjahu ersucht Begnadigung

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat Präsidenten Isaac Herzog per Anwaltsbrief um Begnadigung gebeten. Netanjahu war 2019 wegen Bestechung, Betrugs und Untreue angeklagt worden. Er soll unter anderem Luxusgeschenke im Wert von 174.000 Euro angenommen haben, darunter Schmuck, Zigarren und Champagner. Netanjahu betonte zuletzt, seine Begnadigung würde die "notwendige nationale Versöhnung" Israels voranbringen.

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Népszava (HU) /

Bedingungslose Amnestie ist ausgeschlossen

Der israelische Präsident steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens, meint Népszava:

„Donald Trump schreckt bekanntlich wenig vor Drohungen jeglicher Art zurück. ... Der Verlust der militärischen und politischen Unterstützung der USA wäre für Israel tragisch, und auch Herzog muss dies berücksichtigen. Der israelische Präsident steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens. Indes kann schon jetzt ausgeschlossen werden, dass er Netanjahu bedingungslos begnadigt, denn das wäre ein Schlag ins Gesicht der israelischen Gesellschaft, des Rechtsstaats und der Justiz. ... Doch er kann auch Trumps Zorn nicht riskieren. Herzogs gordischer Knoten kann nicht durchschnitten werden. Er wird gezwungen sein, ihn zu entwirren.“

Libertatea (RO) /

Jetzt kommt es auf den Präsidenten an

Libertatea kommentiert:

„In dem Gnadengesuch wird (laut israelischer Presse) auch betont, dass die Begnadigung eine Sternstunde der 'Heilung' der Gesellschaft bedeuten würde. Neben den Maßnahmen der [rechtsnationalen] Regierungskoalition zur politischen Unterordnung der Justiz würde die Begnadigung von Premierminister Netanjahu auch einen gefährlichen Präzedenzfall in Bezug auf die Straflosigkeit von politischen Entscheidungsträgern schaffen. Die israelische Gesellschaft hat bewiesen, dass sie über genügend Abwehrkräfte verfügt, um gegen die Krankheiten der Demokratie zu kämpfen. Nun bleibt abzuwarten, wie Präsident Herzog das 'Wohl des Staates' begründen wird.“

Politiken (DK) /

Sein Platz wäre in der Zelle

Nach Meinung von Politiken zeugt der Versuch Netanjahus, sich vom Präsidenten begnadigen zu lassen, von Verzweiflung:

„Dass Netanjahu es nicht wagt, vor Gericht zu gehen und seine Unschuld zu beweisen, deutet stark auf seine Schuld hin. Der Versuch, den Präsidenten zu einer Begnadigung zu drängen, während Israels internationales Ansehen aufgrund der Brutalität des Gaza-Krieges auf einem Tiefpunkt ist, unterstreicht seinen extremen Egoismus. ... Netanjahus Begnadigungsgesuch zeugt von Verzweiflung. Seine Regierung steht kurz vor dem Ende, und in weniger als einem Jahr finden Wahlen statt. Seine Ära neigt sich dem Ende zu. Hoffentlich landet er hinter Gittern – entweder in Israel oder in Den Haag.“

Pravda (SK) /

Ordentliche Portion Chuzpe

Pravda nennt das Vorgehen Netanjahus dreist:

„Israels Kriege in Gaza und im Nahen Osten haben das Verfahren verzögert. Am Samstag indes erhielt Präsident Isaac Herzog ein Schreiben von Netanjahus Anwalt mit dem Antrag auf Begnadigung. ... Und genau hier liegt die Chuzpe. ... Oppositionsführer Jair Lapid erinnerte den Präsidenten daran, dass eine Begnadigung nicht ohne ein Schuldeingeständnis erfolgen könne. Es gebe keine rechtlichen Voraussetzungen für eine Begnadigung. Die einzige Möglichkeit bestehe darin, Netanjahu vor Gericht zu stellen, ihn zu verurteilen und ihn aus der Politik zu entfernen. Andernfalls würde der Staat Israel Korruption als Grundlage seines Funktionierens anerkennen.“