Papst gibt Ehe-Tipps

Der Vatikan hat am Freitag das päpstliche Lehrschreiben "Amoris Laetitia" (Die Freude der Liebe) veröffentlicht. In der Abhandlung über Ehe und Familie bricht Papst Franziskus nach Ansicht von Kommentatoren einige kirchliche Tabus und zeigt, dass der Vatikan grundsätzlich in der Lage ist, sich zu modernisieren.

Alle Zitate öffnen/schließen
Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Franziskus spricht Tabu-Themen an

Das Schreiben von Papst Franziskus steht zwar nicht für einen Kurswechsel in strittigen Fragen der Ehe- und Sexualmoral, doch seine Folgen sollte man nicht unterschätzen, meint die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung:

„Die Kirche beginnt, ihre Sprache bei diesem Thema zu finden. Der Papst versteht es, bisher in der Kirche tabuisierte Themen wie Leidenschaft und Erotik anzusprechen. Franziskus eröffnet zudem neue Spielräume: Nicht alle Streitfragen müssten durch ein Eingreifen des Lehramtes entschieden werden, schreibt er ausdrücklich. Damit anerkennt er zugleich die unterschiedlichen kulturellen Bedingungen, unter denen die mehr als 1,2 Milliarden Katholiken weltweit leben. Der Papst fordert mehr Respekt vor der Gewissensentscheidung des Einzelnen. ... Franziskus [macht] sehr deutlich, dass er für Zuwendung statt Anweisungen steht. Die Zeit des römischen Rigorismus scheint vorbei zu sein.“

Irish Examiner (IE) /

Nur irische Kirche bleibt stur und verkrustet

Mit seinem Lehrschreiben zeigt der Vatikan, dass er bereit für Veränderungen ist, ganz im Gegenteil zur katholischen Kirche in Irland, meint die liberale Tageszeitung Irish Examiner:

„Die Position [des Vatikan] steht in eklatantem Widerspruch zum Absolutismus, Dogmatismus und antidemokratischen Mobbing, die von der irischen katholischen Kirche eingesetzt wurden, um sich den zahlreichen neuen sozial- und gesellschaftspolitischen Gesetzen entgegenzustellen, die in den vergangenen Jahrzehnten vom irischen Parlament beschlossen wurden. Die Sodom-und-Gomorrha-artigen Prophezeiungen der hiesigen Kirchenhierarchie im Kampf gegen diese Initiativen haben sich als völlig bedeutungslos erwiesen. Sie bieten damit unseren politischen Führern eine weitere Lektion: Wandel findet statt, ob man ihn nun akzeptiert oder nicht. Doch es ist immer besser, Teil dieses Wandels zu sein als nicht dazuzugehören.“