Ist in Teheran jetzt ein Regimesturz möglich?
Israel hat bei seinen Luftangriffen zahlreiche Vertreter der iranischen Führungsebene getötet. Premierminister Benjamin Netanjahu hat in einer persisch untertitelten Videobotschaft das iranische Volk aufgefordert, sich gegen das "böse und mörderische Regime" der Mullahs zu erheben. Zuletzt kam es 2022 zu massiven Protesten im Iran. Die Medien diskutieren, ob jetzt der Krieg mit Israel zu einem Machtwechsel in Teheran führen könnte.
Sofern Israel die Bevölkerung verschont
Le Temps sieht Chancen für einen Wandel – solange jetzt keine Zivilisten umkommen:
„Neben dem Angriff der israelischen Streitkräfte auf Atomanlagen ist ein Regimewechsel das Ziel von Benjamin Netanjahu und zahlreicher US-Hardliner. Ist die Mullah-Republik in der Lage, eine solche Entwicklung zu verhindern? Die iranische Gesellschaft, von der das Regime völlig abgekoppelt ist, könnte das Ende der Islamischen Republik, die seit der Revolution von 1979 immer autoritärer geworden ist, begrüßen. Um dies zu verändern, würde es allerdings ausreichen, dass iranische Zivilisten bei israelischen Angriffen getötet werden. Ein solcher Fall könnte paradoxerweise einen Teil der Bevölkerung wieder hinter dem Regime versammeln.“
Der Westen hat nicht vorgearbeitet
Auf einen Regimewechsel durch die Angriffe sollte man nicht hoffen, schreibt die taz:
„Welches Land im Nahen Osten wurde durch militärische Interventionen von außen demokratisch? Richtig, kein einziges. Einen Wandel von innen zu unterstützen, hat der Westen versäumt. Europa hätte die Revolutionsgarde auf die Terrorliste setzen, politischen und wirtschaftlichen Druck gezielt gegen die Eliten richten können. Stattdessen wurde verhandelt, hofiert, geschwiegen, während die Menschen protestierten, dafür festgenommen und hingerichtet wurden. Die Menschen, die seit 46 Jahren am konsequentesten gegen das Regime kämpfen, wurden und werden weiterhin ignoriert.“
Netanjahu braucht diesen Feind
Der in Berlin lebende Soziologe Igor Eidman teilt auf Facebook die Befürchtung seiner iranischen Bekannten in Deutschland, dass Netanjahu aus Eigeninteresse den Iran als Gegner erhalten möchte:
„Sie fordern Israel auf, noch härter zuzuschlagen. Sie befürchten allerdings, dass Netanjahu den Zusammenbruch des islamischen Regimes nicht braucht. Wenn säkulare, demokratische Kräfte im Iran an die Macht kommen, verliert er das Bild des Hauptfeindes, dem sich angeblich nur der harte Bibi erfolgreich entgegenstellen kann. Er braucht einen permanenten Krieg mit knalligen taktischen Erfolgen, aber ohne Ende. Sonst kann er sich den Wählern nicht mehr als jenes Pferd verkaufen, das man bekanntlich in der Furt nicht wechselt, und wird die Macht verlieren und sich vor Gericht wiederfinden.“