Israel-Iran-Konflikt: Wie eine Eskalation verhindern?
Israel hat seine am Freitag begonnene Militäroperation gegen den Iran ausgeweitet und in mehreren Angriffswellen insbesondere Atom- und Militäranlagen sowie Öl- und Gasfelder attackiert. Teheran reagierte mit wiederholtem Drohnen- und Raketenbeschuss auf israelische Städte wie Haifa, Tel Aviv und Jerusalem. Es gab in beiden Ländern zahlreiche Tote und Verletzte. Besorgnis in der europäischen Presse.
Politische Strategie fehlt
Netanjahus Vorgehen droht zu scheitern, meint Die Presse:
„Israel riskiert, sich mit dem Mehrfrontenkrieg zu übernehmen. Es hat schon bisher verabsäumt, militärische Erfolge der vergangenen Monate in dauerhafte politische und diplomatische Vorteile umzumünzen. Netanjahus tollkühnes Vorgehen trägt deutliche Züge der Hybris. Mit militärischen Mitteln allein wird Israel nicht in der Lage sein, den Nahen Osten umzugestalten. Dafür wäre auch eine politische Strategie nötig. Doch davon ist im Moment nichts zu sehen: weder in Gaza noch im Krieg gegen den Iran. Mittelfristig mag die Attacke auf die iranischen Atomanlagen Israel mehr Sicherheit bringen. Doch langfristig werden die Iraner nur noch entschlossener nach einer Atombombe streben, um sich vor künftigen Angriffen zu schützen.“
An den Verhandlungstisch zurück
Beide Staaten müssen so schnell wie möglich wieder auf Diplomatie setzen, mahnt NRC:
„Es liegt im Interesse aller, dass der Krieg nicht weiter eskaliert. Der Iran muss den Weg zurück an den Verhandlungstisch finden. Das Regime in Teheran muss einsehen, dass es heute viel schwächer ist als noch vor einigen Jahren und dass es mit seinen nuklearen Drohungen über das Ziel hinausgeschossen ist. Auch die Schäden, die Israel an den Nuklearanlagen angerichtet hat, müssen zu Bescheidenheit zwingen. Es ist Aufgabe der Staats- und Regierungschefs der Golfstaaten, Iran davon zu überzeugen. In der Zwischenzeit ist es Aufgabe des Westens, Trump dazu zu bewegen, Netanjahu zu zügeln.“
Viele profitieren von israelischen Militärschlägen
Im Grunde will niemand, dass der Iran in den Besitz von Kernwaffen kommt, meint Reflex:
„Die Schwächung des iranischen Atomprogramms kommt sowohl Amerika als auch Europa zugute. Schließlich bedroht Teheran gern den gesamten Westen. Es spielt auch den muslimischen Ländern in die Hände, die Israels Angriffe kritisieren (ihre öffentliche Meinung erlaubt ihnen keine andere Haltung), sich aber hinter den Kulissen die Hände reiben. Niemand will, dass das monströse iranische Regime Atomwaffen besitzt. ... In Wirklichkeit also passt das alles dem Großteil der Welt. Aber der befindet sich in einer so starken antiisraelischen Blase, dass er das nicht zugeben will.“
Alle diplomatischen Instrumente aktivieren
Eine Eskalation muss verhindert werden, fordert El País:
„Das Potenzial für eine Eskalation ist enorm hoch. Die Folgen wären verheerend. Zunächst wegen der Gewaltauswirkungen auf die Zivilbevölkerung, die ersten Opfer des Krieges, und möglicher terroristischer Anschläge. Aber auch für die Weltwirtschaft: Der Ölpreis schoss in die Höhe und die europäischen Aktienmärkte brachen ein. Die gesamte Macht der Eindämmung liegt bei den USA – die Israel seine Überlegenheit garantieren – sowie bei Russland und China – den Verbündeten des Iran. Leider hat Europa bisher keine gemeinsame Position zu Netanjahu formuliert. Doch obwohl der Einfluss begrenzt ist und die Situation nicht zu Optimismus einlädt, gibt es keinen Grund zur Resignation: Die EU muss alle diplomatischen Instrumente aktivieren.“
Kampf um Energie ist entscheidend
La Repubblica sieht handels- und wirtschaftspolitische Gefahren:
„Der Kampf um die Energie ist eines der entscheidenden Kapitel im Krieg Israels gegen den Iran. Ein entscheidender Schlag gegen die Säule der Wirtschaft der Islamischen Republik, indem Raffinerien und Ölvorkommen dem Erdboden gleichgemacht werden. ... Auch Teheran versucht, an derselben Front zu reagieren, bisher mit einer Handvoll Raketen gegen die petrochemische Anlage in Haifa, kann aber jederzeit die Straße von Hormus blockieren und den internationalen Handel mit Rohöl und Flüssiggas lahm legen. ....Es ist das einzige Instrument, das Teheran in der Hand hat, um Druck auf das Weiße Haus auszuüben, und zu versuchen, in einer Verhandlung in letzter Minute bessere Bedingungen zur Rettung des Regimes zu erreichen.“
Trump versagt in der Außenpolitik
Die USA werden international kaum noch ernst genommen, meint der Politologe Serhij Taran in einem von Telegraf übernommenen Facebook-Post:
„Der Krieg zwischen Israel und dem Iran ist ein anschauliches Beispiel für die Inkompetenz der Außenpolitik Trumps: Das überhebliche Vertrauen in das eigene Talent, mit jedem einen Deal machen zu können, hat dazu geführt, dass niemand mehr ernsthaft mit dem US-Präsidenten reden will. Gesprochen wird zwar noch, aber jeder macht inzwischen sein eigenes Ding: Der Iran reichert Uran an, Israel beschießt Teheran und zieht sich nicht aus dem Gazastreifen zurück, Russland plant die Fortsetzung des Krieges, China ignoriert Trumps Drohungen völlig, und die Ukraine ist gezwungen, die Einschränkungen der US-Hilfe hinzunehmen.“