Proteste vor Putins Amtseinführung

Vor der vierten Amtseinführung Wladimir Putins haben Oppositionelle am Sonntag in mehreren russischen Städten demonstriert. Die Polizei ging, unterstützt von Vertretern der kremltreuen Nationalen Befreiungsbewegung und Männern in Kosakenuniform, mit Schlagstöcken und Verhaftungen gegen die Demonstranten vor. Für Kommentatoren erreicht die Staatsmacht damit aber nicht ihr Ziel.

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Wedomosti (RU) /

Scharfes Durchgreifen war kontraproduktiv

Mit ihrer harten Hand erweist sich die Staatsmacht keinen guten Dienst, meint Vedomosti:

„Die Inauguration Putins verläuft wie schon 2012 unter dem Zeichen der gewaltsamen Auflösung von Oppositionsaktionen - dieses Mal womöglich härter als in den vergangenen Jahren. ... 2012 griff die Polizei hart durch, weil sie die Ausbreitung der Proteste tausender Menschen verhindern wollte. 2018, weil sie die Entschlossenheit der Staatsmacht gegenüber einer kleinen Gruppe Unzufriedener demonstrieren wollte. Doch die unverhältnismäßige Gewaltanwendung gegenüber den Versammelten, vor allem gegenüber Minderjährigen und Presseleuten, könnte die bevorstehende Inauguration stärker überschatten, als die Aktion der Opposition selbst.“

Der Standard (AT) /

So steigt das Risiko eines Bürgerkriegs

Der Kreml spielt ein gefährliches Spiel, wenn er, wie am Wochenende, Kosakenverbände und Liberale gegeneinander aufhetzt, warnt Der Standard:

„Das Gewaltmonopol in jedem Staat sollte bei den Sicherheitsorganen liegen und nicht an irgendwelche kostümierten Hilfstruppen national-konservativer, ja monarchistischer Gesinnung übertragen werden, die ihre Aggressionen ausleben wollen. Nichts anderes aber sind die heutigen Kosakenverbände in Russland. Mit der Freiheitsliebe ihrer Vorfahren haben sie nichts am Hut. Es scheint fast, als ob jemand im Kreml der Opposition helfen wolle, das von ihr gezeichnete Bild Putins als autoritärer Zar noch zu schärfen. Das bewusste Aufeinanderhetzen von Konservativen und Liberalen birgt zudem das Risiko zunehmender Konfrontation innerhalb einer ohnehin gespaltenen Gesellschaft - bis hin zum Bürgerkrieg.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Putins härteste Gegner

Russlands Jugendliche werden Wladimir Putin die vierte Amtszeit schwer machen, prophezeit der Tages-Anzeiger:

„Sie haben dank Smartphone und sozialen Medien ein Fenster in eine andere Welt geöffnet. Wie das Verbot des Messenger-Dienstes Telegram zeigt, der seine Kunden nicht dem Geheimdienst ans Messer liefern wollte, versucht der Kreml, dieses Fenster nach alter Manier wieder zuzunageln. Doch so einfach ist das nicht. Das kann sich jeder vorstellen, der schon einmal versucht hat, einem Teenager das Handy zu verbieten. Und sollte die Polizei mit zu viel Härte gegen die jungen Leute vorgehen, riskiert Putin einen Aufstand der Eltern und Grosseltern, die zu seinen treuen Wählern zählen. Denn es sind diesmal nicht ein paar abgehobene Oppositionelle, die für abstrakte und für viele Russen hohle Slogans demonstrieren. Es sind die Kinder des Landes, die den Russen über alles gehen.“