Stehen die Zeichen in Kroatien auf Versöhnung?

In Kroatien wurde am Mittwoch der "Operation Sturm" von 1995 gedacht. Damals eroberten kroatische Truppen ein großes Gebiet von serbischen Freischärlern zurück. Wegen Verbrechen an serbischen Zivilisten und der anschließenden Massenflucht ist die Operation umstritten. Nun nahm erstmals ein Vertreter der serbischen Minderheit an der Feier teil. Für Kommentatoren ist dies nur der erste Schritt.

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Večernji list (HR) /

Historischer Schritt

Für Večernji list ist dies ein großer Schritt vorwärts:

„In Knin, bei der Feier zum 25-jährigen Jubiläum der 'Operation Sturm', haben die kroatischen politischen Eliten ein neues Kapitel in den kroatisch-serbischen Beziehungen aufgeschlagen, die bis heute auf dem Stand des Kriegsendes stehengeblieben waren. … Die Regierung glaubt also, 2020 wäre der richtige Moment, um das Verhältnis zwischen Kroaten und Serben aufzutauen - und hat erst der serbischen Minderheitenpartei SDSS ein Amt in der Regierung gegeben und dann Boris Milošević als Vizepremier [zur Gedenkfeier] nach Knin geholt. Ob sie damit den Nerv der Bevölkerung trifft, wird sich im Alltag schnell zeigen.“

Index.hr (HR) /

Nun muss es ans Eingemachte gehen

Nun müssen sich die Kroaten mit ihrer Kriegsvergangenheit befassen, mahnt Index.hr:

„Heute, am 25. Jahrestag der 'Operation Sturm', durch die de facto die Kriege in Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina beendet wurden, wäre es an der Zeit, dass diejenigen, die danach geboren wurden, ihre Väter, aber auch Mütter fragen: 'Was habt ihr im Krieg getan?' Das ist keine Gelegenheit für heroisierende und pathetische Antworten über die Verteidigung des Landes. ... Es ist eine Gelegenheit, alles Dreckige über den Krieg zuzugeben, jeden gefolterten und getöteten Gefangenen, jeden Zivilisten, jeden Greis, der dachte, er wäre zu alt, um für irgendjemanden eine Bedrohung darzustellen. ... Lebendige Erinnerung dauert dreißig Jahre, danach wird sie zur Geschichte, die früher oder später diejenigen in den Hintern beißt, die verschweigen, lügen und sich mit der eigenen Schuld nicht auseinandersetzen.“

Delo (SI) /

Noch sind nicht alle Wunden verheilt

Das Gedenken in Kroatien hat sich dieses Mal auf zwei Ebenen abgespielt, beobachtet Delo:

„Zum einen auf der offiziellen, optimistischen Ebene, da die gesamte kroatische politische Führung an der Feier teilnahm. Auch aufgrund der Anwesenheit des ethnischen Serben Boris Milošević und des Besuchs des Vertreters der kroatischen Regierung, Minister Tomo Medved, im serbischen Dorf Grubori, wo die kroatischen Sieger sechs ältere Zivilisten hinrichteten. ... Auf letzteres musste man ein Vierteljahrhundert warten. Aber es gab noch eine andere, keineswegs zu vernachlässigende Ebene. ... Mehr als die Hälfte der Kroaten schmerzen die Wunden der Vergangenheit bis heute. Das Geplänkel zwischen Serbien und Kroatien, aber auch der Albtraum in Form von Jubiläen militärischer Aktionen und Gedenkfeiern, einer der Stolpersteine zwischen den Nachbarn, sind nicht vorbei.“