Roald Dahls Werke entschärft - richtig so?

Der britische Verlag Puffin Books hat in zunächst zwei Werken des Kinderbuchautors Roald Dahl mehr als hundert Stellen sprachlich angepasst. Ein Beispiel: In der Neuausgabe von "Charlie und die Schokoladenfabrik" ist der gefräßige Augustus Glupsch nur noch "enorm" statt "enorm fett". Kritiker sprechen von Zensur. Europas Presse streitet mit.

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Il Manifesto (IT) /

Die Fantasie bleibt auf der Strecke

Die nächsten Opfer werden folgen, spottet Il Manifesto:

„Pippi Langstrumpf könnte die nächste sein, wurde sie doch immer schon als unpädagogisch verschrien. Und der Kleine Prinz sollte vielleicht von einer verständnisvollen elterlichen Figur begleitet werden. Man geht nämlich nicht allein durch die Lüfte. Und was ist mit den Grimm'schen Märchen, in denen Hässlichkeit oft mit Grausamkeit und Niedertracht assoziiert wird? Die Polemik gegen die Fantasie hat eine lange Tradition, aber 'Märchen dienen nicht dazu, brave und beflissene Personen heranzuziehen, sondern um die Fantasie zu beflügeln', schrieb [der Kinderbuchautor Gianni] Rodari. ... Bewahren Sie Ihre alten Exemplare auf.“

De Volkskrant (NL) /

Purer Paternalismus

In einer freien Welt müssen auch niederträchtige Gedanken Platz haben, protestiert De Volkskrant:

„Anders als die Verleger wissen Kinder sehr gut, dass Roald Dahls Wortwahl zum Vorlesen gehört und nicht zur Wirklichkeit. ... Es sind die Erwachsenen, die nicht mehr wissen, was Fiktion ist. ... Die paternalistische Ermutigung, nur schöne Gedanken zu pflegen, beschränkt sich nicht nur auf die Kinderseele. ... Die Sensitivity Readers, die einen vor bösen Einflüssen behüten, sind auch hierzulande auf dem Vormarsch. Davor kann nicht deutlich genug gewarnt werden. Demokratie gedeiht nur bei freien Gedanken, und das heißt, dass es auch schlechte Gedanken geben darf.“

ABC (ES) /

Auch Autoren passen ihre Werke an

Wer eigentlich das Recht hat, sich gegen die Änderungen zu wehren, fragt ABC:

„Solche Impulse hat es schon immer gegeben. Tausende Originale existieren nicht mehr, weil man nicht wissen kann, wie sie ursprünglich waren. Die Autoren selbst schreiben ihr Werk im Laufe ihres Lebens immer wieder neu. ... Wer ist überhaupt berechtigt, eine Beschwerde einzureichen? ... Kann man von Amts wegen Protest einlegen, wenn die Erben, die von der Sache begeistert sind, es nicht tun? Eine private Organisation, eine Stiftung? Der Staat? Würde er es wollen?“