Rosenkrieg in Ungarns Spitzenpolitik – oder mehr?

In einem langen Interview mit dem regierungsnahen Privatsender TV2 wirft Ungarns Ex-Justizministerin Judit Varga ihrem Ex-Mann Péter Magyar vor, sie jahrelang verbal und gelegentlich auch körperlich misshandelt zu haben. Kurz zuvor hatte Magyar eine Tonaufnahme veröffentlicht, auf der Varga sagt, die Regierung lasse gezielt Beweise in Korruptionsverfahren vernichten. Die Presse ist gespalten, wie man mit diesen Vorwürfen umgehen soll.

Alle Zitate öffnen/schließen
Népszava (HU) /

Varga ist nicht glaubwürdig

Das Interview weckt bei Népszava-Journalist Zoltán Batka starke Zweifel:

„Judit Varga versucht nicht einmal, den Widerspruch aufzulösen, dass sie ihre Familie hemmungslos für ihre politische Karriere benutzt hat, während sie zu Hause unter Psychoterror gelebt haben soll. Sie hat mit sonnigen PR-Fotos mit den gemeinsamen Kindern Werbung gemacht, um zu zeigen, was für eine wunderbare, liebevolle, enge Gemeinschaft sie hatten. Wenn sie damals aus existenziellen Gründen gelogen hat, dass sich die Balken bogen, warum sollten wir glauben, dass sie nicht auch diesmal aus existenziellen Gründen lügt? ... Warum spielt sie gerade jetzt, als ihr entflohener Mann schwere Anschuldigungen gegen ihre Sekte [Fidesz] erhoben hat, MeToo?“

Mérce (HU) /

Politik ausblenden und Vorwürfe untersuchen

Man darf solche Anschuldigungen nicht unter den Tisch kehren, meint die feministische Aktivistin Júlia Bakó in Mérce:

„Unabhängig vom politischen Kontext des Falles müssen wir innehalten und Judit Vargas Behauptungen prüfen. ... Denn wenn wir aufgrund der politischen Ausrichtung und Rolle der in einen Misshandlungsfall involvierten Akteure in eine opfermissachtende und opferbeschuldigende Verhaltensweise und Sprechweise abdriften, verstärken wir genau das gesellschaftliche Klima, das es ermöglicht, dass Missbrauch in Ungarn weit verbreitet und meist versteckt bleibt. Wir können auch nicht sagen, was auch immer passiert ist, sei eine Privatangelegenheit zwischen den beiden. Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sind keine Privatangelegenheiten.“