Polen: Tusk gewinnt Vertrauensabstimmung

Polens Premier Donald Tusk hat eine Vertrauensabstimmung im Parlament für sich entschieden. 243 Abgeordnete sprachen sich für ihn, 210 gegen ihn aus. Die Regierungskoalition verfügt über 242 der 460 Sitze im Sejm. Tusk hatte das Votum angesetzt, nachdem der liberale Präsidentschaftskandidat Rafał Trzaskowski die Stichwahl verloren hatte. Neuen Schwung für die Regierung macht die Presse allerdings kaum aus.

Alle Zitate öffnen/schließen
Newsweek Polska (PL) /

Zu viel Vergangenheit, zu wenig Zukunft

Newsweek Polska wirft Tusk zu wenig Tatkraft für einen überzeugenden Neustart vor:

„Donald Tusk hat heute zu viel Zeit damit verbracht, über die Vergangenheit zu sprechen, und viel zu wenig Zeit mit seiner Vision für die Zukunft. ... Es gibt in der Koalition immer noch keinen Konsens über die Umsetzung von mehreren Programmpunkten. Und zwar die, die man als herausragend oder zumindest als bedeutend bezeichnen könnte. ... Wer auf einen großen Aufbruch gehofft hat, dürfte enttäuscht worden sein.“

Interia (PL) /

Diagnose "Gorbatschow-Syndrom"

Tusk überzeugt in Polen weit weniger als im Ausland, beobachtet der Publizist Jarosław Kuisz in Interia:

„Nichts blieb länger im Ohr hängen. ... Die Regierungserklärung wurde vorgetragen, als ob unser Leben nicht in den sozialen Medien stattfände. Als ob wir nicht im Zeitalter der Triumphe von Herrn Trump leben würden. Unglaublich. Außerdem hatte man manchmal den Eindruck, dass der Premier seine Worte nicht an uns Bürger, sondern an die abwesenden Abgeordneten der PiS richtete. ... Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Donald Tusk vom gefährlichen 'Gorbatschow-Syndrom' befallen ist, benannt nach dem sowjetischen Politiker, der außerhalb seines Landes höchst beliebt und respektiert war, im eigenen Land aber weniger geschätzt wurde.“

Dagens Nyheter (SE) /

Es wird nicht einfacher

Die Abstimmung im Sejm hat Tusk zwar gewonnen, meint Dagens Nyheter, aber es kommen zwei schwierige Jahre auf ihn zu:

„Tatsächlich wird das Regieren des Landes während der verbleibenden Amtszeit des derzeitigen Parlaments – bis Herbst 2027 – mindestens so schwierig sein wie seit dem Amtsantritt der Regierung Tusk im Dezember 2023. Der scheidende Präsident Andrzej Duda hat die letzten anderthalb Jahre damit verbracht, eine Reihe wichtiger demokratischer Reformen zu blockieren. Nawrocki, der sein Amt am 6. August antritt, ist ideologisch noch radikaler und dürfte Tusk das Leben nicht leichter machen.“