Kulturkanon vorgestellt: Was macht Schweden aus?

Im Auftrag der bürgerlichen Regierung hat der Geschichtsprofessor und Autor Lars Trädgårdh den Vorschlag für einen sogenannten schwedischen Kulturkanon vorgestellt: eine Liste mit 100 Werken und Errungenschaften aus den Bereichen Literatur, Bühnen- und Filmkunst und Musik, aber auch Religion, Wirtschaft und Erfindungen. Schwedens Presse ist hinsichtlich Sinn und Zweck der Liste gespaltener Meinung.

Alle Zitate öffnen/schließen
Expressen (SE) /

Schlüsselbund statt Zeigefinger

Expressen sieht den Kanon als offene Basis, von der sich die kommende Generation die Kultur erschließen kann:

„Die 100 Punkte sind kein Endziel, sondern ein Ausgangspunkt. Sie sollen zum Weiterlernen anregen. ... Der Kanon ist kein Zeigefinger, sondern ein Schlüsselbund. Geben Sie ihn schwedischen Schülern in die Hand und hoffen Sie, dass sie Raum für Raum betreten! Das setzt natürlich voraus, dass er ein lebendiges Dokument wird. Lars Trägårdhs Vorschlag, eine Stiftung zu gründen, die – außerhalb der Reichweite der Politiker – die Listen auswerten und aktualisieren kann, ist daher klug. Kulturministerin Parisa Liljestrand täte gut daran, darauf zu hören.“

Svenska Dagbladet (SE) /

Öffnung eines Wegs zur Integration

Svenska Dagbladet hält den Kulturkanon für nützlich, um für die latent abgeschottete schwedische Gesellschaft neue Mitglieder zu gewinnen:

„In einer solchen Gesellschaft wissen die Eliten, was vor sich geht, bewachen ihre Privilegien, gehen gegen jeden vor, der ihre eigene Position bedroht, und behaupten gerne, für Außenstehende zu sprechen, weigern sich aber gleichzeitig, sie einzulassen. ... Richtig gehandhabt, kann dieser Kanon zu einer Eintrittskarte für Klassenfahrten und Integrationsprozesse werden. … Wer die Geschichte, die Kultur, die Traditionen und die Sitten eines anderen Landes kennenlernt, gewinnt Freiheit, Wissen und Macht. Erst dann kann man sich frei entscheiden, ob man es annehmen, anpassen oder ablehnen will.“

Dagens Nyheter (SE) /

Besser ehrliche Investitionen als Wortwolken

Dagens Nyheter hätte sich mehr als nur eine Liste gewünscht:

„Der Gesamteindruck ist lächerlich. Eine Wortwolke. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine KI sie erstellt haben könnte. Aber das ist letztlich nicht das Wichtigste. ... Wäre das Projekt mit einer ehrlichen Investition in die Alphabetisierung in den Schulen, einer Erhöhung der Lehrergehälter, dem Ausbau der öffentlichen Bibliotheken und einer breit angelegten Investition in die Geisteswissenschaften einhergegangen, hätte man glaubhaft argumentieren können, dass dies wirklich 'ein lebendiges und nützliches Instrument für Bildung, Gemeinschaft und Integration' sein könnte, wie es im Bericht heißt.“