Deutschland und Polen: Warum so zähe Beziehungen?
In Berlin fanden am Montag die 17. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen statt. Wichtige Themen waren die militärische Zusammenarbeit, grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur und Erinnerungspolitik. Deutschland übergab Polen auch während des Zweiten Weltkriegs geraubte Kulturgüter. Medien beider Länder erörtern, warum das Nachbarschaftsverhältnis dennoch nicht recht aufblühen mag.
Noch immer nicht auf Augenhöhe
Das Online-Portal wPolityce glaubt nicht an das Format:
„Tusks Reise nach Berlin wird großspurig als Regierungskonsultationen bezeichnet, aber um zu konsultieren, muss es Augenhöhe zwischen den Parteien geben. Diese gab es zu Zeiten von Angela Merkel nicht, es gab sie nicht zu Zeiten von Olaf Scholz und es gibt sie auch nicht zu Zeiten von Friedrich Merz. Die Bilder von der Reise von Merz und Tusk nach Kyjiw (mit Macron und Starmer) sind noch immer lebendig, als der polnische Ministerpräsident separat anreiste und vor Ort von Merz wie ein Möbelstück herumgeschoben wurde, wobei der deutsche Bundeskanzler ihm ständig Anweisungen erteilte, die der hilflose Tusk ausführte.“
Freundliche Annäherung ohne echte Bindung
Rzeczpospolita sieht allenfalls atmosphärische Fortschritte in den bilateralen Beziehungen:
„Tusk bezeichnete Kanzler Merz sogar als 'Freund'. ... Bislang hatte sich der Regierungschef nur sporadisch in Berlin gezeigt. Er befürchtete, dass positive Gesten gegenüber dem westlichen Nachbarn nur Öl ins Feuer der PiS-Propaganda gießen würden. Seit einigen Wochen bricht die Unterstützung für die PiS in Umfragen jedoch deutlich ein. Trotz allem ist kurz vor dem 35. Jahrestag des Abschlusses des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrags nicht davon die Rede, eine neue Vereinbarung zu schließen, wie es beispielsweise mit Frankreich geschehen ist. Dies würde die Auseinandersetzung mit zu vielen heiklen Themen erfordern, wie beispielsweise dem Status der polnischen Minderheit in Deutschland.“
Diplomatische Ratlosigkeit
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht die Beziehungen an einem Tiefpunkt angelangt:
„Die große Hoffnung, dass sich nach den Regierungswechseln in Warschau 2023 und Berlin 2025 auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen verbessern ließen, sind erst mal dahin. Schuld daran haben beide Seiten, wobei in Berlin vor allem Desinteresse und in Warschau Mutlosigkeit überwiegen. ... Große, verbindende Projekte wie der längst fällige Ausbau grenzübergreifender Verkehrswege oder stärkere Kooperation bei der Verteidigung gegen die russische Bedrohung scheiterten. Stattdessen herrscht diplomatische Ratlosigkeit. Heute spielt die Vergangenheit eine mächtigere Rolle als die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft.“
Zynisches Spiel um Entschädigung
Die Süddeutsche Zeitung kritisiert, dass es immer noch keine deutsche Zusage für weitere Zahlungen an noch lebende NS-Opfer in Polen gibt:
„[A]us Sicht der sehr lautstarken polnischen Rechtsnationalisten und Rechtsextremen wäre jede deutsche Leistung unterhalb der von der PiS-Partei aufgestellten – historisch wackelig begründeten – Reparationssumme von 1,3 Billionen Euro zu wenig. Die Befürchtung Tusks ist also, dass deutsche Zahlungen seiner konservativ-liberalen Regierung sogar schaden, dass ihm der Vorwurf gemacht würde, sich abspeisen zu lassen. Darauf reden sich wiederum die Deutschen gern heraus. So scheint man sich wenigstens einig zu sein, dass mit der Hilfe für NS-Opfer für das Ansehen der Regierungen nichts gewonnen wäre. Zynischer geht es kaum.“