Tschechien: Ist das Regierungsprogramm realistisch?
Die Parteien der künftigen tschechischen Regierung unter dem designierten Premier Andrej Babiš haben ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet. Mit kritischem Blick schauen Kommentatoren darauf, wie die künftige Regierung Gegenwart und Zukunft des Landes beschreibt.
Unternehmerisch gedacht ein Desaster
Reflex moniert:
„Andrej Babiš hat sein früheres Motto vergessen: 'Ich möchte den Staat wie ein Familienunternehmen führen.' Würde er ein Unternehmen und eine Familie nach dem Entwurf des Regierungsprogramms führen, ginge das Unternehmen bankrott und die Familie müsste Sozialhilfe beantragen. Das Programm enthält Hunderte von Versprechen, deren Erfüllung jährlich Dutzende Milliarden Kronen verschlingen würde. ... Es enthält auch gute Vorschläge (wie Steuersenkungen) und interessante Ideen, doch bei vollständiger Umsetzung werden die Schulden weiter steigen und noch von den heutigen jungen Generationen abgetragen werden müssen.“
Illusorische Versprechen
Auf Novinky.cz äußert sich der frühere tschechische Finanzminister Miroslav Kalousek skeptisch:
„Die Ano-Bewegung hat so viele kostspielige Prioritäten durchgesetzt, dass diese nicht ohne eine Erhöhung des Defizits und eine Eskalation der Staatsverschuldung umgesetzt werden können. Die Zusicherung, dass wir das Geld dafür aus Wirtschaftswachstum und der Besteuerung der Schattenwirtschaft aufbringen werden, ist reine Illusion. Wir müssten zwei- bis dreimal so schnell wachsen und das einzige Land der Welt ohne Schattenwirtschaft sein.“
So schlecht geht es dem Land nicht
Dass die künftige Regierung den aktuellen Zustand des Landes als katastrophal darstellt, ärgert Český rozhlas:
„Die scheidende Regierung war äußerst unpopulär, aber der Staat als solcher bricht weder objektiv noch in den Augen der Bevölkerung zusammen. Das Vertrauen in Institutionen wie den Präsidenten, die Gerichte, das Militär, die Zentralbank, die Polizei und die Gemeinderäte ist stabil. Tschechien wächst schneller als der EU-Durchschnitt, die Inflation hat sich stabilisiert, die Menschen fangen an zu konsumieren, was kein Zeichen von Misstrauen, sondern von Optimismus ist. Dennoch will man den Eindruck erwecken, Tschechien sei eine Art abgeschwächte Version des Gazastreifens. Eine perfide Taktik. Sie dient ganz klar dem Zweck, die neue Regierung als Retter darzustellen, ihr Sympathien zu sichern und alle Misserfolge im Voraus zu entschuldigen.“