Was macht Shein in der Hauptstadt der Mode?

Der chinesische Fast-Fashion-Riese Shein hat in Frankreich sein erstes stationäres Geschäft eröffnet. Frédéric Merlin, Chef der Société des Grands Magasins (SGM), sprach von einer "Revolution". Zu seiner Kaufhauskette gehört das Pariser Kaufhaus BHV, in dem Shein nun seine Waren verkauft. Für die Entscheidung erntete Merlin einen Sturm der Entrüstung, denn Shein wird immer wieder vorgeworfen, soziale und ökologische Standards zu missachten.

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La Libre Belgique (BE) /

Discounter des weltweiten Zynismus

Gegen die zügellose Billigökonomie muss endlich etwas getan werden, wettert La Libre Belgique:

„Unsere politischen Entscheidungsträger auf allen Ebenen müssen eine klare juristische Barriere gegen diese Wirtschaft ohne Glauben und Gesetz errichten. Das Verbot von Importen, die gegen unsere sozialen und ökologischen Standards verstoßen, ist kein Protektionismus, sondern gesunder Menschenverstand. Unsere Regionen dürfen nicht zum Discounter des weltweiten Zynismus werden. Es ist sinnlos, auf den nächsten Skandal zu warten, um zu reagieren. Plattformen wie Shein stehen für unfaire und umweltschädliche Konkurrenz. Der Erfolg dieses Modells sagt weniger über Chinas Stärke aus als über unsere eigene Schwäche. Nein, wirklich: Am Shein-Modell ist alles falsch.“

Le Figaro (FR) /

Durch Europas enge Maschen geschlüpft

Le Figaro prangert die Ohnmacht Europas gegenüber dem Fast-Fashion-Giganten an:

„Im Gegensatz zu den bei uns hergestellten Produkten, die tausend peniblen Kontrollen unterzogen werden, schlüpfen die Waren von Shein auf seltsame Weise durch die Maschen unseres dichten Regelwerks. Es heißt, im Paradies der Normen fehle es an Mitteln, um diesen fragwürdigen Handel zu überwachen. Es heißt auch, dass Europa, trotz seines beispiellosen Regelungsfleißes, diese infernalische Maschinerie erst in mehreren Jahren wird stoppen können. Donald Trump hingegen hat eine Mauer errichtet, indem er eine Steuer von 100 Prozent auf die Pakete von Shein und seinen Mitstreitern verhängte – und die Anzahl ihrer Sendungen damit um 40 Prozentpunkte sinken ließ. Man will es kaum glauben.“

Libération (FR) /

Der Konsument allein kann es nicht richten

Am Ende wird die Verantwortung allein den Verbrauchern zugeschoben, empört sich Libération:

„Ein Monat voller heftiger Debatten, Streiks, Petitionen und Kapitalflucht – doch nichts hat Frédéric Merlin aufgehalten… Was bleibt also? Nur noch an die Verantwortung der Verbraucher zu appellieren? Ihnen aufzutragen, die T-Shirts für einen Euro zu vergessen und sich stattdessen mit der endlosen Liste der Übel zu befassen, die Shein in Frankreich und weltweit mit sich bringt: Umweltverschmutzung als globaler CO2-Champion, Mikroplastikpartikel aus Polyesterkleidung, Berge von Wegwerfware, giftige Produkte, unwürdige Arbeitsbedingungen, zerstörte Arbeitsplätze durch unfaire Konkurrenz, die weder soziale Rechte noch Verbraucherschutz respektiert. Am Ende soll also der Verbraucher allein dem Koloss entgegentreten, dessen Umsatz 2024 bei 38 Milliarden Dollar lag? Da läuft etwas gewaltig schief.“