EU-Erweiterungsbericht verteilt Lob und Tadel

Die EU-Kommission hat ihren jährlichen Bericht zur EU-Erweiterung vorgelegt. Darin werden die Reform-Fortschritte der insgesamt zehn EU-Beitrittskandidaten bewertet. Am meisten Lob aus Brüssel ernteten dabei Montenegro, Albanien, Moldau und die Ukraine. Georgien wurden hingegen wegen Rückschritten deutlich kritisiert. Kommentatoren nehmen wiederum den Bericht kritisch unter die Lupe.

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Ewropeiska Prawda (UA) /

Kyjiw besser bewertet als erwartet

Ewropeiska Prawda staunt über das gute Zeugnis für die Ukraine:

„Der Versuch im Juli, die Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden zu untergraben, ebenso wie später aufgekommene Vorwürfe, das Nationale Antikorruptionsbüro zu attackieren und Probleme im Bereich der Justiz – all das hat Skepsis geschürt, wie die EU-Bewertung wohl ausfallen würde. Vor diesem Hintergrund fielen die Schlussfolgerungen der Europäischen Kommission unerwartet optimistisch aus. Der Bericht bewertet die Schritte der Ukraine so positiv wie seit drei Jahren nicht, also seit unserer Aufnahme in das Erweiterungspaket. Zum ersten Mal stellten die europäischen Beamten kein einziges Verhandlungskapitel fest, in dem die Ukraine keine Fortschritte bei der Erfüllung der Beitrittsanforderungen erzielt hätte.“

Wolodymyr Horbatsch (UA) /

Nicht mit Samthandschuhen anfassen

Mehr Kritik würde der ukrainischen Politik gut tun, meint Politologe Wolodymyr Horbatsch auf Facebook:

„Die Europäische Kommission und unsere anderen europäischen Partner greifen in ihrer öffentlichen Kommunikation nicht zum ersten und wohl auch nicht zum letzten Mal zur Selbstzensur, wenn es um die Bewertung der Arbeit der ukrainischen Regierung geht. Allerdings hat sich das Maß an Selbstbeschränkung diesmal deutlich verringert. Es kam sogar zu dem Vorschlag, eine Behörde wie das Staatliche Ermittlungsbüro – die wichtigste Machtstütze des Präsidialamtes – personell und systemisch umzugestalten. ... Objektiv betrachtet lassen sich bei Weitem nicht alle Fälle von Machtmissbrauch und insbesondere Korruption sowie Unterdrückung der Opposition mit den Umständen der Kriegszeit rechtfertigen. Es ist an der Zeit, offen darüber zu sprechen.“

Dnevnik (SI) /

Union muss eigene Hausaufgaben machen

Nicht nur die Beitrittskandidaten, auch die EU muss nun beweisen, dass sie für eine größere Erweiterung reif ist, meint Dnevnik:

„Zahlreiche Hausaufgaben warten nun auf die Europäische Union. Mit ihrem eigenen Reformprozess wird sie die Frage beantworten müssen, wie sie mit neuen Mitgliedstaaten handlungsfähig bleiben will. Sie muss eine gegenüber der Erweiterung skeptische europäische Öffentlichkeit davon überzeugen, dass neue Mitglieder eine Stärkung der Union darstellen – und keine Bedrohung für die eigenen Arbeitskräfte. Der Erweiterungsmarathon tritt in seine Schlussphase ein. Das Finale wird noch spannender sein als die ersten zwanzig Jahre.“