Warum erhält ungarischer Antisemit einen Orden?

Mehr als 30 prominente Ungarn aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur haben aus Protest ihr Ritterkreuz des ungarischen Verdienstordens zurückgegeben, nachdem diese Auszeichnung dem Journalisten Zsolt Bayer verliehen worden war. Das Fidesz-Gründungsmitglied fiel wiederholt mit antisemitischen und fremdenfeindlichen Artikeln auf. Kommentatoren erklären, warum Bayer die Auszeichnung erhielt.

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Népszabadság (HU) /

Zsolt Bayer kultiviert Ungarns Hasskultur

Die staatliche Ehrung Zsolt Bayers zeigt einmal mehr, wie polarisiert die ungarische Gesellschaft ist, stellt Schriftsteller Endre Kukorelly in der linksliberalen Tageszeitung Népszabadság fest:

„Bayer tut genau das, was mir völlig fremd ist. Wieder und wieder gießt er Öl ins Feuer und kultiviert damit unsere kleine, hausgemachte Hass- und Misstrauenskultur. Statt die Gemüter zu beruhigen, schlägt er schäumend und wild um sich. ... Ich persönlich kann mit diesem zerrütteten und tragikomischen Zustand des Landes wenig anfangen. Hysterie auf der einen wie auf der anderen Seite, Polarisierung bis zum Exzess, unversöhnliche Hassdiskurse und allerorten tiefe Gräben, die schier unüberwindbar scheinen. ... Wenn wir nichts unternehmen, geht unser Land drauf. Niemand stammt vom Teufel ab, doch schlummert in jedem von uns Diabolisches. Ich schlage deshalb vor: Fangen wir bei uns selbst mit der Teufelsaustreibung an.“

Blog Törökgáborelemez (HU) /

Eine rein politische Entscheidung

Die Ehrung Bayers rückt vor allem diejenigen in ein schiefes Licht, die ihm die Auszeichnung verliehen haben, meint der Politologe und Blogger Gábor Török in einem Post auf Facebook:

„Staatliche Auszeichnungen sind in Ungarn seit jeher politische Entscheidungen. Letztendlich entscheiden nämlich Politiker darüber, wer geehrt wird und wer nicht. Generell ist festzustellen, dass die Listen der Ausgezeichneten mehr über die Gesinnung derjenigen aussagen, die Auszeichnungen verleihen, als über jene, die sie bekommen. Ideal wäre es, wenn niemand auf politischer Grundlage eine staatliche Auszeichnung bekäme. Leider ist in Ungarn genau das Gegenteil der Fall. So hat auch die Auszeichnung von Zsolt Bayer einen politischen Hintergrund.“