Neues Regierungsbündnis in Estland

In Estland ist der bisherige Oppositionspolitiker Jüri Ratas von der linksgerichteten Zentrumspartei als Premier bestätigt worden. Er schmiedete eine Koalition mit den beiden Juniorpartnern des vorherigen Regierungsbündnisses. Sein Vorgänger Taavi Rõivas von der liberalen Reformpartei war mit einem Misstrauensvotum gestürzt worden. Estlands Presse bewertet den Regierungswechsel.

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Eesti Päevaleht (EE) /

Anomalien der estnischen Politik

Estnische Politik hat einige Anomalien, die bei diesem Regierungswechsel besonders deutlich geworden sind, findet der PR-Experte Ott Lumi in Eesti Päevaleht:

„Warum gibt es in Estland keine russische Partei? Warum gibt es in Estland keine liberale Partei? Warum gibt es keine ideologisch linke Partei? Warum hält man politische Führung für illegitim? Warum spielen die persönlichen Beziehungen eine so große Rolle? Das sind die strategischen Warum-Fragen der estnischen Politik. Man könnte sagen, dass das nicht neu ist. Doch es scheint, dass all diese Fragen in den kommenden Jahren in der estnischen Politik eine wichtige Rolle spielen werden. ... Wir wissen, dass sich die russischen Wähler in den vergangenen zwanzig Jahren hinter die von Edgar Savisaar geführte Zentrumspartei gestellt haben. Seine Person ist in der Politik ein strategisches Geschenk gewesen. Wie wird es [nach seinem Abgang] weiter gehen?“

Õhtuleht (EE) /

Wie kooperativ sind die Koalitionspartner?

Estlands neuer Premier Jüri Ratas hat mit den Juniorpartnern der alten Koalition am Montag eine Koalitionsvereinbarung unterzeichnet. Õhtuleht erwartet von der neuen Regierung vor allem Stabilität:

„Schon nach der letzten Wahl dauerten die Koalitionsverhandlungen viel zu lange und das Personal für die Ministerposten wurde mehrmals ausgetauscht. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre ist nun der fünfte Außenminister an der Reihe. Das lässt unsere Staatsführung in keinem guten Licht erscheinen. Gleichzeitig kann man natürlich keine ruhige innenpolitische Zeit erwarten, bedenkt man die großen Veränderungen, die laut dem neuen Koalitionsvertrag anstehen. Wie kooperativ aber sind die drei Regierungsparteien? Laut Verteilung der Ministerposten ist klar, dass der Zentrumspartei kein Schlüsselministerium anvertraut wurde: Außen-, Verteidigungs-, Innen, Justiz- und Finanzministerien haben Sozialdemokraten und Konservative für sich behalten.“