Muss Estland russische Minderheit einbürgern?

Estlands Premier Jüri Ratas hat vorgeschlagen, den "Nichtbürgern" die estnische Staatsbürgerschaft zu geben. Diese Zehntausenden russischsprachigen Menschen hatten sich zur Zeit der UdSSR in Estland niedergelassen und sind seit der Unabhängigkeit 1991 staatenlos. Einige Kommentatoren halten die Debatte für längst überfällig, andere sehen in der Einbürgerung ein falsches Zugeständnis an Staatsfeinde.

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Postimees (EE) /

Unsere Einbürgerungspolitik hat ausgedient

Eine generelle Debatte um die Staatsbürgerschaftspolitik hält die Rektorin des Narva College, Kristina Kallas, in Postimees für längst überfällig:

„Wir sollten überlegen, die komplette Staatsbürgerschaftregelung auseinanderzunehmen und zu überdenken. Die Staatsbürgerschaft für die 'Nichtbürger' ist ein Thema, aber meines Erachtens gibt es noch wichtigere. Die hier geborenen Kinder von Ausländern und deren Staatsangehörigkeit zum Beispiel. Die doppelte Staatsbürgerschaft für die Esten selbst, denn immer mehr Esten leben im Ausland. Doppelte Staatsbürgerschaft für die hier lebenden Ausländer, damit sie sich stärker mit dem Land verbunden fühlen. Es gibt sehr viele Themen, die eine gesellschaftspolitische Diskussion und Übereinkunft erfordern. Das heutige Staatsbürgerschaftsgesetz, das 25 Jahre alt ist, muss unbedingt reformiert werden.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Ein Geschenk für Staatsgegner

Der Vorschlag des Premiers, den Staatenlosen bedingungslos estnische Pässe zu geben, stößt auf Widerstand beim konservativen Koalitionspartner IRL. Parlamentarier Ken-Marti Vaher begründet dies in Eesti Päevaleht:

„Der Vorschlag von Ratas verleiht die Staatsbürgerschaft auch jenen, die alles getan haben, damit es den estnischen Staat nicht gibt. Sie sind einem anderen Staat gegenüber loyal und gegen den estnischen Staat, den sie weiterhin für eine temporäre Anomalie halten. Ratas glaubt, dass sein Vorschlag im Wahljahr 2019 gut ankommen wird. Ich bin sicher, dass die meisten Wähler dagegen stimmen werden. Außer den gebürtigen Staatsbürgern auch viele, die später eingebürgert wurden, die die estnische Sprache erlernt und die Prüfungen abgelegt haben. Den Leuten gefällt es nicht, wenn die Regeln auf halbem Weg geändert werden, besonders wenn es um so etwas Grundsätzliches wie die Loyalität des Menschen zum eigenen Staat geht.“