Proteste gegen die Automesse IAA
Tausende von Demonstranten haben am Samstag gegen die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt am Main protestiert. Am Sonntag blockierten Klimaschützer einzelne Eingänge. Endlich wird die Macht der Autohersteller in Frage gestellt, freuen sich einige Kommentatoren. Andere fordern mehr Sachlichkeit beim Thema Klimaschutz.
Am Klimaschutz kommt keiner mehr vorbei
Den Demonstranten ist es gelungen, das Thema Klimaschutz auf die Verkehrs-Agenda zu setzen, freut sich die taz:
„In den vergangenen Wochen war es Journalist*innen nicht möglich, über die IAA zu berichten, ohne die Kritik daran zu erwähnen. ... Auch die Bundesregierung kann das Thema nicht länger aussitzen. ... Die Zeiten, in denen die Autohersteller sich entspannt zurücklehnen und Geld zählen können, sind vorbei. ... Es kommt langsam im öffentlichen Bewusstsein an, dass eine wirkliche Verkehrswende her muss. Angesichts der Betrügereien und der Skandale der Autoindustrie ist es dafür zwar ziemlich spät. Aber das Thema wird so schnell nicht von der Agenda verschwinden.“
Ideologie macht unvernünftig
Mehr Rationalität in der Klima- und Autodebatte fordert Lidové noviny:
„Die Proteste auf der IAA in Frankfurt verstärken den Eindruck, dass der Fanatismus über die Rationalität gewinnt. Wenn die CO2-Neutralität tatsächlich Priorität hat, welchen Sinn hat es dann, dass Deutschland seine Atomkraftwerke abschaltet statt der Kohle- oder Gaskraftwerke? Rational muss man zu der Erkenntnis kommen, dass es umgekehrt sein sollte. Aber die Atomkraft wird verteufelt. So viel Ideologie, so wenig Wissenschaft. Das sollte auch für unsere Schüler und Studenten eine Lehre sein: Ziehen wir die Vernunft der Ideologie vor.“
Reizende Dinge, die die Welt nicht braucht
Die steigende Produktion von Stadtgeländewagen zeigt die Grundprobleme des Kaptialismus, findet Denik:
„Muss man wirklich mit einer Art Panzer, der in die Dünen der Sahara gehört, durch die Stadt fahren? Braucht es unbedingt große Autos, die mehr verbrauchen als herkömmliche Wagen, klimaunfreundlicher sind und daher für ihre Besitzer von Nachteil? Das Problem: Die Leute wollen einen SUV. Die Nachfrage steigt, die Unternehmen, darunter auch Škoda, bringen jedes Jahr neue Typen auf den Markt. Kunden sind nicht logisch: Sie wollen auch neue Handys, die sich vielleicht nur durch eine neue Kamera von den älteren unterscheiden. Der Kunde bezahlt etwas, das er nicht braucht. Der Kapitalismus schafft Wohlstand durch die ständige Produktion unnötiger Dinge, die den Menschen aber glücklich machen. Das sollte man in der Tat überdenken.“
Eine Branche in Erklärungsnöten
Wie sehr die Autoindustrie in der Krise steckt, zeigt sich für die Tageszeitung Die Welt auf der diesjährigen IAA:
„Die Messe hat mit einem massiven Ausstellerschwund zu kämpfen. ... Tesla stellt nur ein paar Autos für Probefahrten zur Verfügung, Peugeot fehlt genauso wie Ferrari. Und selbst die deutschen Autobauer, als größte Mitglieder des VDA eigentlich Mitveranstalter der Messe, haben ihre Stände teils drastisch zusammengeschrumpft. ... Dabei hätte es die Autoindustrie so nötig wie nie, die Massen für sich, ihre Produkte und Ideen zu begeistern. Dafür muss die Branche mehr tun, als nur die Kritiker zu umarmen. Sie muss den Wandel gestalten. In den nächsten Tagen hat sie in Frankfurt die Chance zu beweisen, dass sie dazu in der Lage ist.“
Öffentlich statt elektrisch
Die bei der IAA im Mittelpunkt stehenden Elektroautos lösen nicht die anstehenden Umwelt- und Verkehrsprobleme, meint Der Standard:
„Die E-Mobilität hat, was die Ökologie angeht, schon ein Problem bei der Herstellung der Fahrzeuge. Sauberer Strom allerdings, der wäre zumindest in Österreich nicht die größte Krux. ... Probleme wie Platzverbrauch, Staus in der Stoßzeit oder die Besetzung der Fahrzeuge mit meist nur einer Person sind hier gar nicht eingerechnet. Die Lösung unserer Probleme liegt also vermutlich immer noch im Ausbau des öffentlichen Verkehrs, nicht im Elektroauto.“
Autos aus den Städten verbannen
Eine grundsätzliche Verkehrswende fordert der Deutschlandfunk:
„Der Verkehrssektor muss nach fast 30 Jahren Stillstand in Sachen CO2-Ausstoß endlich einen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten. Und ja, das bedroht den Lebensstil, den wir bisher pflegen. Es bedeutet im Zweifelsfall: Weniger Routine, mehr Flexibilität im ohnehin schon für viele stressigen Alltag. ... Der Bundesverkehrsminister muss Räume in der Straßenverkehrsordnung schaffen, die Radikaleres zulassen als mehr Fahrradstraßen. Und die Oberbürgermeister der Großstädte müssen diese Räume nutzen, um das Auto aus den Städten zu verbannen. Auf die Autoindustrie sollte man bei diesem gigantischen, gesellschaftspolitischen Unterfangen weniger Rücksicht nehmen als bisher.“